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Ein Leben unter Überwachung

Was die staatliche Bespitzelung mit einem Menschenleben anstellen kann – und das in einem hoch zivilisierten Land wie der Schweiz –, zeigt das typografische Buch-Kunstwerk am Beispiel des Gewerkschafters und Pressefotografen Klaus Rózsa. 

 

Wer die 70er- und 80er-Jahre in der Schweiz, besonders in Zürich, nicht miterlebt hat, braucht vielleicht mehr als einen Blick, um zu verstehen, was in diesem Buch zusammengestellt wurde: Bilder von ­Demonstrationszügen, von gasmaskenbewehrten ­Polizisten, ­Kampfszenen: Tränengasschwaden vor dem «Autonomen Republik Bunker», in der Umgebung von Kaiseraugst, über dem Gelände des Zürcher AJZ; Wasserwerfer am Limmatquai, vor dem Bezirksgefängnis oder beim Opernhaus. Die Fotos, alle in Schwarzweiss, begleiten und überdecken maschinenbeschriebene Zettel, Formulare und ­Briefe.

ein leben lang im visier

Es sind «Staatsschutzakten», besser bekannt als «Fichen», angelegt in den Jahren zwischen 1971 und 1989. Angelegt über eine einzige Person: einen jungen Mann von zunächst gerade mal 17 Jahren. Klaus Rózsa, der als kleiner Bub 1956 mit seinen Eltern aus Ungarn in die Schweiz geflüchtet war, geriet noch als Teenager ins Visier übereifriger Staatsschützer, die in ihm ihre Ängste vor der «kommunistischen Weltherrschaft» personifiziert fanden.

Spuren der bespitzelung

Das Buch verlässt sich ganz auf die Kraft der Gegenüberstellung von Rózsas Bildern, die im Innern der Bewegung entstanden, mit den Notizen der Polizeispitzel, die deren paranoide Sicht auf die Geschehnisse offenbaren. Es sind akribisch transkribierte Telefongespräche, Vernehmungsprotokolle und ein Wust von behördlichen Mutmassungen, Anschuldigungen, die nur absurd erscheinen würden, wenn sie in der Folge nicht tiefe Narben im Leben des Überwachten zurückgelassen hätten.

hartnäckig und unbeirrt

Denn: Obwohl Rózsa fast sein ganzes Leben verdächtigt, schikaniert und misshandelt wurde, und obwohl ihm während 40 Jahren die Einbürgerung verweigert wurde, konnte er bis heute nie verurteilt werden, sondern hat im Gegenteil (und mit Unterstützung seiner Gewerkschaft) mehrere Prozesse gegen die Polizei und für die Pressefreiheit gewonnen. So erreichte er, der sich jahrelang als Präsident des Zürcher Gewerkschaftsbundes, des Schweizerischen Presserats und des Sektors Presse der syndicom-Vorgängerin comedia engagiert hat, schliesslich die höchst­richterliche Bestätigung, dass Polizisten fotografiert werden dürfen, ja dass es die Pflicht der (Presse-)Fotografen ist, der Polizei bei der Arbeit auf die Finger zu schauen! Unbeirrt hat er zurückgeschossen – mit seiner Kamera und mit Prozessen, die er am Ende alle gewonnen hat. Er zahlte dafür einen hohen Preis, das Buch lässt nur erahnen, wie hoch er wirklich war.

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