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Ein neues Wirtschaftsmodell für die Medien

syndicom und die Sozialdemokratische Partei der Schweiz haben sich an einer Arbeitstagung mit den Grundzügen einer neuen Medienpolitik beschäftigt.

 

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Rund 80 Personen nahmen am vergangenen Freitag im Bundeshaus an einem Workshop zum Thema einer neuen Medienpolitik teil. Das Programm war recht breit gefächert mit so unterschiedlichen Themen wie die Auswirkungen der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (NICT), die Personifizierung der Information, aber auch der politische Rahmen für die Medienarbeit.

„Die Zeit drängt“ – diese Feststellung von Stephanie Vonarburg, syndicom-Zentralsekretärin und zuständig für den Sektor Presse, wurde von mehreren Rednerinnen und Rednern bestätigt. Der Sorgenkatalog ist umfangreich: Entlassungen von Personalvertretern werden vom Bundesgericht geschützt, prekäre Arbeitsverhältnisse für Freie Journalisten, stetige Angriffe auf den Quellenschutz oder anhaltender Konzentrationsprozess im Zeitungswesen. Forderungen nach der Aufnahme eines Medienartikels in die Schweizer Bundesverfassung wurden laut.

Vinzenz Wyss von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW umriss den Raum, in dem sich die Presseaktivitäten entfalten und hob dabei den Unterschied zwischen Journalismus und Medien hervor. Die Arbeit des Schreibenden ist undenkbar ohne Medienstruktur. Dabei ist noch lange kein Journalist, wer einen Facebook-Blog unterhält, auch wenn die NICT neue Quellen erschliessen, Interaktionen ermöglichen und die demokratische Transparenz erhöhen.


Die Qualität der Medien hat unter dem Aufkommen der Gratiszeitungen insgesamt gelitten. Sie ziehen nicht nur Ressourcen und Leser von bestehenden Titeln ab, sondern setzen bei der Behandlung der Themen stark auf Personifizierung, was sich schlecht verträgt mit Hintergrundanalysen. So wurde zum Beispiel die Krise der Schweizer Nationalbank auf einen persönlichen Konflikt zwischen Christoph Blocher und Philipp Hildebrand reduziert, wie Mark Eisenegger, Medienspezialist im Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft (FOG) der Universität Zürich, bedrückt feststellte. Besonderes Interesse galt deshalb der so genannten Alternativpresse (WochenZeitung und Le Courrier) als einem jener Orte, wo noch Widerstand möglich ist gegen diese Tendenzen.

Vor allem verwies Eisenegger aber darauf hin, dass sich die  übergelagerte Struktur und zugleich Basis der journalistischen Arbeit immer mehr abbröckelt, und zwar durch die Verlagerung des Werbemarktes hin zum Internet. Hier schrillen für ihn die Alarmglocken: Es ist höchste Zeit, neue Wirtschaftsmodelle einzurichten, welche unter anderem . auf einer Form der öffentlichen Unterstützung oder eines Werbe-Finanzausgleiches beruhen.

Laut dem Journalisten Stefan Keller, Präsident der Branche Presse und elektronische Medien von syndicom, würde eine Abgabe von nur gerade einem Prozent aller Werbe-Finanzmittel bereits einen Fördertopf von 35 Millionen Franken im Jahr ergeben. Denkbar wäre auch eine Google- oder Werbebanner-Steuer. Keller erwog weiter die Möglichkeit, die Fördermechanismen aus dem Kulturbereich auf den Pressesektor zu übertragen; die Finanzierung erfolgt dabei weitgehend durch die öffentliche Hand, ohne dass daraus ernsthafte Einmischungsprobleme entstehen.

SP-Nationalrat Hans-Jürg Fehr zeigte auf, weshalb das Thema so stark tabuisiert wird. In der Organisation «Schweizer Medien», dem Verband der Medienunternehmer, hat Tamedia das Sagen, und dieser Pressegigant wehrt sich kategorisch gegen ein solches „nicht zeitgemässes“ Modell. Fehr benutzte die Gelegenheit für die Mitteilung, dass die SP gegenwärtig über Richtlinien diskutiert, bei denen die Medienpolitik einen zentralen Platz einnehmen soll. Es handelt sich um eine Art von Roadmap, an der rund 20 Personen arbeiten, von sozialdemokratischen Nationalrätinnen über Gewerkschafter bis zu Wissenschaftlerinnen und Journalisten; sie sollte bis Ende Jahr unter Dach und Fach sein. Geplant ist die Bestätigung durch die Parteiinstanzen anfangs 2013, worauf die Umsetzung im Parlament erfolgen soll. Dabei gibt es durchaus einen – wenn auch engen – Handlungsspielraum.

Philippe Bach, Journalist beim «Courrier»

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