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Fehlende Karrierechancen für Frauen und die Forderung der Medienfrauen nach Teilhabe an der Publizistischen Macht

Frauen verdienen auch deshalb weniger, weil sie weniger verantwortungsvolle Jobs bekommen und weniger Chancen haben, beruflich aufzusteigen und Karriere zu machen. Die ersten Beförderungsstufen sind für Frauen mittlerweile durchaus in Reichweite, für die nächstfolgenden gelangen sie aber häufig an die berühmtberücktigte gläserne Decke. In der englischen Literatur wird neben der «Glass ceiling» auch das Phänomen des «Sticky floor» beschrieben: Frauen bleiben häufiger als Männer auf wenig einflussreichen Stellen haften.

Dies widerfährt auch den weiblichen Medienschaffenden. Sie haben im Hinblick auf den Frauenstreik einen Forderungskatalog zur Gleichstellung der Frauen in den Medien aufgestellt. Die erste von fünf Forderungen betrifft die publizistische Macht. Insbesondere wegen schlechteren Karrierechancen und die geringeren Einflussmöglichkeiten haben weibliche Medienschaffende viel weniger publizistische Macht. In den Schweizer Medien sind Führungspositionen in 3 von 4 Fällen von Männern besetzt. Nur in Magazinen und im öffentlichrechtlichen Radio ist das Geschlechterverhältnis auf den Kaderstufen etwa ausgeglichen. In Führungspositionen von Tages- und Wochenzeitungen hingegen beträgt der Männeranteil 71%, im Privaten Rundfunk und in Onlinemedien sind die Kaderstellen besonders krass in Männerhand: Nur jede fünfte Führungsperson auf Stufe Ressortleitung oder Chefredaktion ist weiblich.

Dazu kommt, dass in den einflussreichen Ressorts wie Politik und Wirtschaft nur rund 30 Prozent Frauen arbeiten. Auch die meinungsbildenden Gefässe wie Kommentare und Analysen sind weitestgehend in männlicher Hand. Die Westschweizer Tageszeitung «Le Temps» untersucht – in vorbildlichem Bemühen um Transparenz – unter der Rubrik «Barometer» monatlich den Platz der Frauen in den eigenen Blattspalten: Im Jahr 2018 stammten auf der Meinungsseite 30% der Beiträge von Frauen, die Leitkommentare stammten gar nur zu 4 bis 17% von Journalistinnen. Auch andere Medien sind aufgefordert, diese Zahlen selbstkritisch zu veröffentlichen. Die Medienfrauen verlangen unter dem Hashtag #Medienfrauenstreik, dass nach Jahren des Ungleichgewichts der Geschlechter endlich bewusst der Ausgleich geschaffen wird.

Eine Studie des Instituts für Angewandte Medienwissenschaft der ZHAW aus dem Jahre 2016 (Vinzenz Wyss und Filip Dingerus) stellt frappante Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern fest, die nach Funktionsstufe zunehmen. Bei Medienschaffenden mit Vollzeitstellen und weniger als 6 Jahren Berufserfahrung beträgt der Lohnunterschied zwischen Mann und Frau im Schnitt 700 Franken. Dies hat auch damit zu tun, dass in den besser bezahlten Ressorts der Männeranteil höher liegt als in Ressorts wie Kultur und Bildung, in denen verhältnismässig mehr Frauen arbeiten. Ungerecht ist dabei eben auch die unterschiedliche Gewichtung der Löhne nach Ressort. Auf Stufe Chefredaktion vertieft sich der Graben zusätzlich, der Lohndiskriminierung beträgt dort gar 1‘400 Franken pro Monat. Die Forderungen nach Lohntransparenz und nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit, sowie nach Massnahmen für familienfreundlichen Arbeitsstrukturen auf allen Hierarchiestufen stehen auch bei den Medienschaffenden wieder auf dem Tapet.

Unter dem Titel Schutz vor Belästigungen fordern die Medienfrauen ihre Arbeitgeber dazu auf, sie im Arbeitsumfeld und im Internet besser vor Abwertungen und Belästigungen zu schützen und sie bei deren Bekämpfung zu unterstützen. Zudem ist in den publizistischen Leitlinien zu verankern, dass die mediale Repräsentation von Frauen verbessert werden muss: Ohne Stereotypen, unter Berücksichtigung aller Altersstufen und in der Abbildung der vielfältigen Berufs- und Lebensentwürfe von Frauen.

Bereits gut 200 Medienschaffende aus verschiedensten Medien haben den Forderungskatalog unterschrieben. Sie richten ihre Forderungen an die Medienunternehmen und bereiten, unterstützt von syndicom, ihre Aktionen im Hinblick auf einen starken Frauenstreiktag vor.


Stephanie Vonarburg, Vizepräsidentin syndicom, Leiterin Sektor Medien anlässlich der Pressekonferenz vom 20. Mai 2019: Frauen*streik gegen die Einkommenslücke

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