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Freiburg wird aktiv

Nach dem Schock über die für Ende 2014 angekündigte Stilllegung der Freiburger Paulusdruckerei hat das Personal beschlossen, an drei Fronten zu kämpfen: mit der Lancierung einer Petition, einem Brief an den Staatsrat mit der Bitte um Organisation eines runden Tisches und mit einer öffentlichen Unterstützungsaktion am Freitag, 1. März.

 

Der Schock über die angekündigte Schliessung der Zeitungsrotation von St-Paul und den drohenden Verlust von 50 Arbeitsplätzen musste von den Angestellten, ihren Familien und der Freiburger Öffentlichkeit erst einmal verdaut werden.

Am 6. Februar beschloss nun eine gut besuchte Betriebsversammlung den Kampf an drei Fronten: Eine Petition zur Rettung der Arbeitsplätze und der Druckerei – die auf syndicom.ch auch online unterzeichnet werden kann – wurde lanciert und und erhält ein sehr gutes Echo.

Der Freiburger Staatsrat wurde in einem Brief vom 12. Februar gebeten, einen runden Tisch mit den Hauptakteuren zu organisieren, um so eine Lösung zu finden. Und am 1. März findet um 12 Uhr vor der Druckerei eine grosse Unterstützungsdemo statt. Die Angestellten setzen ihre Hoffnung in die öffentliche und politische Mobilisierung.

Damit sollen nicht nur Arbeitsplätze, Know-how und eine jahrhundertealte Tradition gerettet werden, sondern auch die Identität und die Unabhängigkeit der Medien eines ganzen Kantons. Für den Kanton Freiburg wäre es sicher interessanter, eine Lösung zum Erhalt der Stellen zu finden, als Arbeitslosengelder auszubezahlen.

Es bleibt auch die Hoffnung, beim Verwaltungsrat der Freiburger Nachrichten (FN) einen Meinungswechsel zu bewirken. Würden die FN als grösste externe Kundin der St-Paul SA auf das Dumpingangebot von Tamedia verzichten – die um 38% günstiger drucken will –, würde der ganze Domino-Effekt zumindest vorläufig gestoppt: Wird die Druckerei geschlossen, wäre nicht nur politisch gesehen der Preis hoch. Mittelfristig ist sogar unsicher, ob sich dieser Wechsel zum Tamedia-Konzern wirtschaftlich lohnt. Der Zürcher Medienriese, für den bei Gewinnmargen unter 15% nichts geht, wird in zwei bis fünf Jahren, wenn er eine Monopolstellung haben wird, kaum noch so grosszügige Verträge anbieten.

Der deutlich frühere Redaktionsschluss für die FN dürfte zu Problemen mit denjenigen LeserInnen führen, welche das Endresultat eines Spiels des lokalen Eishockeyclubs Gottéron oder die Ergebnisse einer politischen Versammlung in der aktuellen Ausgabe vermissen. Weiterhin ist die Gefahr gross, dass die FN und «La Liberté» langfristig nur noch eine Freiburger Regional­ausgabe der «Berner Zeitung» und von «24 Heures» sein werden. Und wenn «La Liberté» selbst zu Tamedia wechselt, wird es zu spät sein, um zu mobilisieren.

«Freiburger Modell»

Sowohl der Verwaltungsrat der FN als auch der Freiburger Staatsrat haben gute Gründe, sich für «die Verteidigung eines Freiburger Modells mit nachgewiesener Effizienz, für eine unabhängige und lokal gedruckte Presse» einzusetzen, wie es Mitglieder der Personalkommission in der «Liberté» (15. 2.) ausdrückten. Mit diesem Modell war es möglich, bis heute eine der letzten Bastionen unabhängiger Presse in der Romandie zu bewahren. Die Freiburger Titel konnten sich zudem immer auf eine treue Bevölkerung und Leserschaft stützen; so behaupteten sie sich auch dann, wenn andere schwächelten.

Dass sich dieses Freiburger Modell so lange halten konnte, ist zum grossen Teil auch der eher speziellen Besitzerin der Druckerei zu verdanken: Es ist dies die katholische Kongregation der Schwestern von Saint-Paul. Obwohl diese stets deutlich weniger auf Profit bedacht war als kapitalistische Aktionäre, ist sie heute mit einem Durchschnittsalter der Schwestern von fast 80 Jahren und damit verbundenen hohen Pflegekosten konfrontiert. Die Kongregation möchte deshalb einen Teil des Aktienkapitals verkaufen. Eine Einigung mit dem hartnäckigen französischen Verleger Hersant bleibt möglich (vgl. «Liberté», 20. 2.), lokale Investoren aber lassen auf sich warten.

nach den Schwestern ...

Unter diesen Umständen muss man sehr genau verfolgen, ob die St-Paul SA den Sirenengesängen von Tamedia widerstehen kann. Das «Bieler Tagblatt», das «Journal du Jura» und die «Basler Zeitung» sind diesen bekanntlich bereits erlegen. Auch die riesigen Grundstücke am Boulevard de Pérolles, wo sich die Druckerei und die Redaktionsräume befinden, könnten auf einiges Interesse stossen.

... das Ende?

Der von der Personalkommission und der Gewerkschaft angeregte runde Tisch könnte zu einer Reihe von Lösungen führen, die einen Erhalt der Arbeitsplätze wenigstens bis zur in fünf bis sieben Jahren fälligen Überholung der alten Rotationsmaschine garantieren würden. Das dann absehbare Ende könnte so deutlich sanfter gestaltet werden. Und wer weiss denn heute schon, ob die Schweizer Medienlandschaft im Jahr 2020 nicht ganz anders aussieht …

 

 

Gegendarstellung 1.3.2013

Der Artikel «Freiburg wird aktiv» besagt, dass «der deutlich frühere Redaktionsschluss für die FN» zu Problemen führen könnte, weil über die abendliche Aktualität nicht mehr am darauffolgenden Tag berichtet werden kann. Diese Darstellung  ist irreführend und falsch. Richtig ist, dass beim künftigen Druckpartner der Redaktionsschluss für die Normalauflage unverändert auf dem heutigen Stand bleibt. Bei der Grossauflage (erscheint jeweils am Donnerstag) kommt es sogar zu einer Verbesserung: Im Unterschied zur heutigen Regelung bei der St. Paul AG gibt es künftig am Mittwochabend keinen vorgezogenen Redaktionsschluss mehr. Damit steht der Redaktion ab 2015 für die Produktion der Grossauflage eine halbe Stunde mehr Zeit zur Verfügung. Der Inhalt der entsprechenden Ausgaben wird damit noch aktueller – zum Vorteil aller Leserinnen und Leser der «Freiburger Nachrichten».

Christoph Nussbaumer, Chefredaktor Freiburger Nachrichten

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