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Für die Luft zum Atmen

Rund 1800 Personen haben im Februar am Kongress Reclaim Democracy teilgenommen. Die grosse Beteiligung macht deutlich, wie hoch in unübersichtlichen Zeiten das Interesse an einer übergreifenden politischen Debatte und Orientierung ist. 

 

Auch aktiven GewerkschafterInnen reicht es möglicherweise heute nicht mehr, für mehr Lohn und gute Sozialversicherungen einzutreten, während gleichzeitig Freiheiten und Menschenrechte von autoritären Regimes bedroht werden. Die Wahlerfolge von Orban in Ungarn oder Trump in den USA, Erdoğans Marsch in Richtung Diktatur und der drohende Wahl­erfolg von Marine Le Pen in Frankreich rütteln nun immer mehr Menschen auf.

In Basel ist während drei Tagen ein breites Spektrum an Themen angesprochen worden, die mit der gegenwärtigen Krise der Demokratie zu tun haben. Gleich zu Beginn machte eine Live-Schaltung in die Türkei deutlich, was alles auf dem Spiel steht: Eren Keskin, Anwältin und Co-Präsidentin des Menschenrechtsvereins IHD, kämpft gegenwärtig mit 140 juristischen Verfahren, mit denen das Regime sie eingedeckt hat. Sie darf das Land nicht mehr verlassen, und ihr droht lebenslange Haft. Wenn also demokratische Freiheiten abgeschafft werden, geht nicht nur das Recht verloren, sich gegen Unrecht zu wehren. Dann geht nicht nur die Atemluft verloren, die Gewerkschaften und Bürgerbewegungen für ihr Schaffen benötigen. Dann geht es auch um die Vernichtung von Existenzen, um Unterdrückung, Willkür und politischen Mord.

autoritärer, rassistischer Nationalismus wird stärker

Der Zulauf, den die extreme Rechte in vielen Ländern Europas hat, macht deutlich, dass das autoritäre, nationalistische und zum Teil offen rassistische Gift längst auch in unseren Breitengraden angekommen ist. Alberto Acosta, ehemaliger Bergbauminister Ecuadors, plädierte dagegen für eine Linke, die dem Nationalismus die Stirn bietet und sich «Gutes Leben für alle» («buen vivir para todos») auf die Fahnen schreibt. Wir dürfen nicht zulassen, dass wir im alten Spiel der Herrschenden versinken, das da seit eh und je lautet: Teile und herrsche. Hetze Teile der Bevölkerung gegeneinander auf, damit du aus der Schusslinie kommst und unbehelligt Boni und Zockergewinne einstreichen kannst: Nation gegen Nation, Männer gegen Frauen, InländerInnen gegen AusländerInnen, Arbeitende gegen Arbeitslose, die Menschen in den Ländern des globalen Nordens gegen diejenigen im globalen Süden.

Die Verhältnisse umfassend selber gestalten

Wie aber soll das gehen mit dem weltweit guten Leben für alle? Das Zauberwort heisst Demokratisierung der Wirtschaft und der Arbeitswelt. Doch das muss konkret ausbuchstabiert werden. Die Kerngruppe des Denknetz Schweiz, das den Kongress in Kooperation mit dem Seminar für Soziologie der Uni Basel und über 20 anderen Organisationen ausgerichtet hat, plädiert in 18 Thesen «Für eine starke Demokratie», in der die Menschen die gesellschaftlichen Verhältnisse auf allen staatlichen und lebensweltlichen Ebenen selbst gestalten können.

Am Kongress wurde deshalb u. a. darüber diskutiert, wie eine transnationale europäische Demokratiebewegung aufgebaut werden kann, warum die haitianische Revolution ebenso bedeutungsvoll ist für die Demokratie wie die viel bekanntere Französische Revolution, oder warum der Women’s March, der am 21. Januar rund 2,5 Millionen Menschen auf die Strassen der USA gebracht hat, zu einem Wendepunkt für die amerikanische Linke werden könnte.

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