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GAV-Verhandlungen grafische Industrie: Und sie bewegen sich doch!

Vier Monate nach der sechsten und letzten Verhandlungsrunde trafen sich Viscom und die GewerkschaftsvertreterInnen von syndicom und Syna in Bern zu «Sondierungsgesprächen». Dies justament am Tag des kalendarischen Frühlingsanfangs – ein gutes Omen angesichts der frostigen Atmosphäre, mit der man sich am 22. November in den Winter und in den vertragslosen Zustand verabschiedet hatte?

 

Auch wenn es durchaus diesen Eindruck machte: Eine 7. Verhandlungsrunde war das Treffen vom 20. März im Zentrum Paul Klee in Bern noch nicht. Mehrere Briefe hatten den Grundstein für die Wiederaufnahme der Diskussionen gelegt, die vom Viscom nur als Sondierungsgespräche bezeichnet wurden. Schliesslich waren es die Gewerkschaften, die die Unternehmerseite seit dem Abbruch der GAV-Verhandlungen durch den Viscom im vergangenen November mehrmals zu einer Rückkehr an den Verhandlungstisch aufgefordert hatten.


Beide Parteien legten zu Beginn dar, wie sich die Dinge seit dem Ende der sechsten Verhandlungsrunde aus ihrer Sicht entwickelt hatten: Die Empfehlung des Unternehmensverbandes Viscom an seine Betriebe, die 42-Stunden-Woche und die Kürzungen der Schichtzulagen umzusetzen, wird von den Gewerkschaften als Kampfmassnahme verstanden. Viscom seinerseits beharrte trotz drohender Streikaktionen weiterhin auf der Dringlichkeit seiner Forderung nach zwei Stunden Gratisarbeit pro Woche. Für viele Betriebe sei dies notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, nur so könne man «den ins Ausland abgewanderten Anteil vom Auftragskuchen zurückholen».


Um diese Massnahmen durchzusetzen, werden die Belegschaften offenbar in mehreren Betrieben mit Drohungen eingeschüchtert und unter Druck gesetzt, einer Erhöhung der Arbeitszeit oder einer Kürzung der Zuschläge zuzustimmen. Auch wenn die Arbeitgeberseite durchblicken liess, dass wohl bald mehr Betriebe ihren «Empfehlungen» folgen würden: In der Westschweiz beispielsweise waren bisher noch kaum Reaktionen auf diese auszumachen.


Vorschlag zur Deblockierung
Um Bewegung in die verfahrene Situation zu bringen, legten die Gewerkschaften einen differenzierten Vorschlag vor: Status quo bei Arbeitszeit und Zuschlägen in Zeitungsdruckereien und für alle übrigen Druckereien bei den Zuschlägen; Verankerung der 40-Stunden-Woche als Normalarbeitszeit sowie ein Umsetzungsvorschlag für eine zeitlich beschränkte 42-Stunden-Woche in den Akzidenzdruckereien unter garantierter Mitsprache der Belegschaft und der Gewerkschaften.


Die Viscom-Antwort auf dieses Angebot, um das in der Gewerkschaft gerungen werden müsste, fiel ernüchternd und vor allem polemisch aus. Man sei «masslos enttäuscht über die Maus, die da geboren wurde», und über die «Substanzlosigkeit des Vorschlags», hiess es zunächst. Wenig später bestätigte man dann doch auch auf Unternehmerseite, dass die 40-Stunden-Woche weiterhin als Norm angesehen werden könne. Die Maus hat also durchaus noch das Potenzial, zum Elefanten – oder zu einem gültigen Gesamtarbeitsvertrag – heranzuwachsen.


Dies auch, weil die Unternehmensvertreter weder eine Maus noch einen eigenen Vorschlag aus dem Hut zaubern konnten. Das soll sich bis zum nächsten Treffen Anfang Mai ändern. Dann soll es sogar eine richtige Verhandlungsrunde sein, die auch so heissen darf, und zu der beide Parteien konkrete Papiere vorlegen.


Der Erweiterte Branchenvorstand von syndicom traf sich am 23. März 2013, um sich mit der neuen Situation auseinanderzusetzen. Nach intensiver Diskussion genehmigte er mehrheitlich unter anderem zuhanden der gewerkschaftlichen Verhandlungsdelegation, wie eine zeitlich beschränkte Einführung der 42-Stunden-Woche in einzelnen Betrieben umzusetzen wäre. Bis nach Ostern wird auch syna zu diesen Vorstellungen Stellung nehmen; erst danach wird das gesamte Papier Viscom zugeschickt.


In der Zwischenzeit wird der Unternehmerverband seinerseits konkrete Ideen formulieren, wie ein für beide Seiten akzeptierbarer Kompromiss gefunden werden könnte. Ein Viscom-Vertreter meinte zum Schluss der Gespräche, dass man «auf die Zielgerade eingebogen» sei. Ziel wäre ja, gleichauf in ebendieses einzulaufen: Ohne Sieger zwar, aber – und weit wichtiger – auch ohne Verlierer.

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