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«Heute ist ReporterIn ein Hochrisikoberuf»

300 Delegierte von JournalistInnengewerkschaften aus aller Welt trafen sich im Juni in Frankreich, um die Pressionen der Branche zu besprechen. Ein Schwerpunkt der Veranstaltung waren die Probleme der jungen Medienschaffenden und ihre Gewerkschaftsferne. Wir haben mit Anthony Bellanger, IFJ-Generalsekretär, Bilanz gezogen.

 

Mit über 600 000 Mitgliedern in 140 Ländern ist die International Federation of Journalists (IFJ) eine Gewerkschafts- und Verbandsorganisation, die Gewicht hat. Sie bildet den Resonanzraum für die tiefgreifenden Veränderungen und Herausforderungen, mit denen Medien und JournalistInnen konfrontiert sind: das Paradigma der digitalen Gesellschaft, die physische Gefährdung der Medienschaffenden, das Dauerthema Arbeitsbedingungen oder die nationalen Gesetzgebungen, welche in vielen Ländern die Ausübung des Berufs erschweren. Anthony Bellanger, Doktor der Geschichte, erfahrener französischer Journalist und Generalsekretär der IFJ, sagt uns mehr dazu.

«syndicom»: Vor welchen Herausforderungen steht die IFJ in den kommenden Jahren?

Anthony Bellanger: Die wirtschaftliche und finanzielle Tragfähigkeit unserer Organisation ist ein zentrales Thema unserer Reflexionsarbeit. Ein weiterer bedeutender Themenschwerpunkt ist die Sicherheit der JournalistInnen. Jedes Jahr werden um die hundert KollegInnen bei der Ausübung ihres Berufs umgebracht – das ist eine katastrophale humanitäre Bilanz.

Muss sich die IFJ also mehr mit Menschenrechtsfragen als mit sozialen und gewerkschaftlichen Anliegen befassen?

Der gewerkschaftliche Schutz ist immer mit dabei. Aber das menschliche Leben ist das höchste Gut, und wir müssen uns unaufhörlich für mehr Sicherheit einsetzen. Gleichzeitig befassen wir uns intensiv mit gewerkschaftlichen Fragen wie Urheberrecht, Gesamtarbeitsverträge und Gleichstellung von Männern und Frauen. Vor 20 Jahren konnten meine KollegInnen ohne Lebensgefahr von den Kriegsfronten berichten. Heute ist JournalistIn ein Hochrisikoberuf.

Ist der Journalismus für junge Menschen noch attraktiv?

Ja. Aber wir können in Zukunft keinen qualifizierten Journalismus mehr anbieten, wenn es uns nicht gelingt, dem Nachwuchs mehr Chancen einzuräumen. Immer wieder klopfen junge, gut ausgebildete Menschen an die Türen der Redaktionen, aber sie finden keine Stelle oder nur zu prekären Bedingungen.Wir müssen unsere Präsenz im Arbeitsalltag der Beschäftigten erhöhen und besser erklären, was wir tun.

Die heutige Jugend sucht keine Nähe zu den Gewerkschaften.

Gewerkschaften werden oft als veraltete Organisationsform gesehen. Doch sind sie oft die Einzigen, welche einen guten Einblick in die Arbeitswelten haben und die Arbeitnehmenden richtig vertreten können. Paradoxerweise scheinen die Leute mehr Vertrauen in Standesorganisationen, NGOs und Verbände zu haben. Sie vertreten jedoch nur eine beschränkte Anzahl an Medienschaffenden. Die Gewerkschaften können kritischer und lauter auftreten als jede andere Vereinigung. Die IFJ und die ihr angehörenden Gewerkschaften werden ausschliesslich von den Mitgliedern finanziert, was uns einen gros­sen Handlungsspielraum verleiht.

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