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Im Reitschul-Kino

Die Hauptversammlung der Sektion Bern syndicom am 21. März wurde von der Jugendgruppe organisiert. Und diese nutzte die Gelegenheit, um ein von ihr erarbeitetes Diskussionspapier zur gewerkschaftlichen Wirtschaftspolitik zu präsentieren. Als Versammlungsort wurde das Kino in der Reitschule gewählt: Bereits dies sorgte für reichlich Gesprächsstoff. 

«Das Rad der Zeit dreht sich immer schneller, angetrieben vom Streben nach Wachstum, Leistungssteigerung und Gewinnmaximierung. Die Gewerkschaften hat die Geschwindigkeit dieser Entwicklung in die Ecke gedrängt: Sie beschränken sich viel zu oft auf Schadensbegrenzung. Dass die Gewerkschaften aber nicht die Symptome, sondern die Ursachen der Missstände bekämpfen sollen hatte schon Karl Marx erkannt.»

So beginnt die Jugendgruppe Bern ihr «Plädoyer für eine visionäre gewerkschaftliche Wirtschaftspolitik». Und so begann auch die diesjährige Hauptversammlung (HV) der Berner Sektion von syndicom. Der Vorstand hat entschieden, die Organisation der Hauptversammlung in Zukunft abwechslungsweise an eine der Interessengruppen zu übergeben. So bekam die Jugendgruppe in diesem Jahr eine Plattform, um ihre Ideen und Vorstellungen mit der restlichen Sektion zu teilen. Und sie war gut darauf vorbereitet, denn im letzten Jahre war ein Positionspapier erarbeitet worden, in dem eine neue wirtschaftspolitische Vision gefordert wird und auch Lösungsansätze aufgezeigt werden. Die syndicom-Jugend fragt, ob es uns denn nicht möglich sei, das Rad der Zeit quasi in eine andere Richtung zu lenken? In eine nachhaltigere und menschlichere Zukunft? Jedenfalls darf man das Steuer nicht einfach so den Wirtschaftskapitänen überlassen, sondern muss den Kurs wieder mitbestimmen.

Es sind nicht grundlegend neue Gedanken, die im Plädoyer entwickelt werden. Vielmehr ist dieses eine Sammlung von Ideen­ und Vorstellungen, welche schon seit längerer Zeit immer wieder diskutiert werden. Ein Hauptkritikpunkt ist der blinde Wahn des Wachstums, das von verschiedenster Seite als einziger Weg in die Zukunft gedeutet wird und eine Diskussion über Alternativen beinahe verunmöglicht. Dies obwohl nachhaltiges Wirtschaften in einer kapitalistischen Welt nicht möglich ist.

Demokratisierung der Wirtschaft

Die Akteure des Kapitals folgen nur der ökonomischen Rationalität des Profits. Natur und Gesellschaft spielen im Kapitalismus keine Rolle. Der erwirtschaftete Profit kehrt immer zum Kapital zurück. Das neue, nun erhöhte Kapital muss anschliessend wieder investiert werden. Das Kapital und die Investitionen nehmen also stets zu. Doch materielles Wachstum in einem begrenzten Naturraum mit begrenzten Ressourcen wie dem Planeten Erde ist auf Dauer nicht durchzuhalten. Deshalb verlangt die regionale Jugendgruppe Bern, dass Produktivitätsfortschritte für mehr Freizeit und nicht für mehr Gewinn eingesetzt werden. Sie fordert die Verteilung der Arbeit auf alle arbeitsfähigen Menschen, ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle und dass im Kampf für eine demokratische Gesellschaftsordnung endlich die letzte Bastion fällt und die Wirtschaft ebenfalls demokratisiert wird. Denn wirklich demokratisch und frei kann eine Gesellschaft nur sein, wenn auch der Ort, an dem Reichtum geschaffen und ökonomische Macht verteilt wird, demokratisch organisiert ist.

Die vermutlich brisanteste Forderung, die an dieser Hauptversammlung präsentiert wurde, war dann jene nach der Abschaffung der Pensionskassen. Trotz diesen provokanten Aussagen wurde die Darstellung der jungen Mitglieder mit grossem Interesse und grossem Wohlwollen aufgenommen.

Obwohl im Vorfeld viele entrüstete Reaktionen eingegangen waren, weil die Sektionsversammlung im autonomen Kulturzentrum Reitschule stattfinden sollte, kamen schlussendlich rund 50 Leute. Die meisten Anwesenden waren doch schon etwas älter und viele wohl zum ersten Mal in der Reitschule zu Gast. Der Präsident der IG Pensionierte von syndicom, Roland Gutmann, zeigte sich trotz anfänglicher Skepsis begeistert über diese etwas anders gestaltete Sektionsversammlung und gratulierte der Sektion Bern zu ihrer Jugendgruppe. Nach dem Vortrag der Jugendgruppe Bern informierte Angela Kindlimann aus Zürich über die Initiative ­AHVplus. Auch Angela ist ein junges Mitglied der Gewerkschaft und war als Gastrednerin eingeladen. Anschliessend folgte der statutarische Teil; die Vorstandsmitglieder Ursula Meier und Christian Hirschi wurden mit Dank für ihren Einsatz verabschiedet. Auch an dieser Stelle nochmals vielen Dank für eure Arbeit und alles Gute für die Zukunft!

Beim anschliessenden Apero mit Live-Musik entstanden sehr spannende Gespräche über Generationengrenzen hinweg, und viele langjährige Mitglieder bedankten sich immer wieder bei der Jugendgruppe für den schönen Abend.

* Flavio Haldi ist Mitglied der Jugendgruppe Bern von syndicom.

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