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Indirekte Presseförderung: Existenzielle Bedrohung

Die neue Postgesetzverordnung regelt auch die Bedingungen für die indirekte Presseförderung. Für die Sicherung der Pressevielfalt werden in der Schweiz die Zustellgebühren verbilligt. Doch in den vergangenen Jahren hat die Post diese
Regelungen sehr restriktiv gehandhabt und versucht, einigen kleinen Zeitungen die Posttaxenverbilligung zu streichen.


Davon wären die meisten dieser Blätter existenziell bedroht. Nina Scheu
Der zur Vernehmlassung vorliegende Entwurf der Verordnung zum Postgesetz schafft Klarheit darüber, wie sich der Bund die indirekte Förderung der Presse vorstellt. Die Praxis, Zeitungen und Zeitschriften über eine Verbilligung der Zustellgebühren zu unterstützen, wird als politischer Konsens im Postgesetz jetzt unbefristet festgeschrieben: 30 Millionen Franken stehen für Regional- und Lokalzeitungen zur Verfügung und 20 Millionen für die Mitgliedschaftspresse.


In der Verordnung wird genauer definiert, wer (weiterhin) Anspruch auf die ermässigten Posttaxen hat – und damit natürlich auch, wer nicht. Denn genau in diesem Punkt war es in den vergangenen Jahren zu sehr umstrittenen Entscheiden seitens der Post gekommen: Diese hatte die Begriffe «Regionalzeitung» und «Spezialpresse» seit 2010 sehr eng ausgelegt und mehrere Zeitungen und Zeitschriften von der Liste der ermässigungsberechtigten Publikationen gestrichen. Begründet wurde dies u. a. damit, dass Zielpublikum und Verteilgebiet dieser Produkte überregional seien.


Betroffen waren beispielsweise die linke Wochenzeitung WOZ, die weit über Zürich hinaus Verbreitung findet, oder auch «Le Courrier», das selbstverwaltete Blatt aus der Romandie, und «Gauchebdo». Auch religiös ausgerichtete Publikationen wie «Sonntag», «Leben und Glauben» oder das französischsprachige «Echo Magazine» sollten als von der Förderung ausgenommene «Spezialpresse» plötzlich mehrere Tausend Franken mehr für den Versand ihrer Ausgaben bezahlen als zuvor. Selbst für die auflagestärksten unter ihnen hätte eine Streichung der Posttaxenverbilligung das Ende bedeuten können. Einsprachen und Prozesse waren die Folge, mit dem Ergebnis, dass mindestens ein Teil der Betroffenen vorläufig und provisorisch bis zum Inkrafttreten von Postgesetz und Verordnung die Presseförderung weiterhin erhält.


Vieles ist gut …
syndicom begrüsst in ihrer Stellungnahme, dass der vorliegende Entwurf in vielen Punkten die Klarheit erhöht und damit besser definiert als bisher, wer Anspruch auf Zustellermässigung hat. So wird «regional» definiert als «Verbreitung vorwiegend in der Schweiz». Damit wird der heutigen Situation Rechnung getragen. Denn mit der zunehmenden Mobilität, die von den Arbeitnehmenden verlangt wird, werden für einige Regionalzeitungen auch die Verbreitungsgebiete grösser, weil die Leserschaft ihnen auch nach einem Umzug noch treu bleibt. Und gerade auch kleinere Titel, die in der ganzen Sprachregion oder ganzen Schweiz Abonnentinnen haben, tragen zur Vielfalt der Schweizer Presse bei.


Positiv findet syndicom auch, dass neu das Bakom und nicht mehr die Post über die konkrete Gewährung der Zustellermässigung entscheidet. Damit wird der medienpolitischen Bedeutung der indirekten Presseförderung Rechnung getragen, und der Widerspruch und mögliche Interessenkonflikt, wenn der Distributor selbst über die Zustellermässigung entscheidet, wird behoben.


… Aber einiges Auch verbesserungswürdig

Was aus der Sicht von syndicom in der Postgesetzverordnung zum Thema Presseförderung fehlt, ist ein Zweckartikel für die Zustellermässigung. Im aktuell noch gültigen Postgesetz ist der Zweck der Zustellermässigung festgehalten: «Zur Erhaltung einer vielfältigen Regional- und Lokalpresse gewährt die Post Ermässigungen für abonnierte Tages- und Wochenzeitungen (…).» Nach Meinung von syndicom ist es wichtig, dieses Ziel der indirekten Presseförderung auch in der neuen Verordnung wieder aufzunehmen, insbesondere nachdem das Festschreiben dieses Zwecks im neuen Postgesetz versäumt worden ist.


Das neue Postgesetz gibt dem Bundesrat zudem die Kompetenz, die Kriterien für die Definition der Presseerzeugnisse, die gefördert werden sollen, auszuweiten. Explizit wird die Erscheinungshäufigkeit als ein solches Kriterium erwähnt. syndicom bedauert, dass der Bundesrat von diesem Recht keinen Gebrauch gemacht hat und jetzt eine mindestens wöchentliche Erscheinungsweise verlangt. Die Gewerkschaft Medien und Kommunikation fordert den Bundesrat auf, von seinem Recht Gebrauch zu machen und die Bedingung auf «mindestens einmal im Monat» abzuändern.


Von der Presseförderung ausgeklammert wurde und wird die «Spezialpresse» – ein nur schwierig zu definierender Begriff zur Eingrenzung einer Mediengruppe. Das zeigten auch die verschiedenen Auseinandersetzungen und Interpretationen unter dem alten Postgesetz: Gehören vorwiegend weltanschauliche, politische oder religiöse Publikationen bereits zur «Spezialpresse»?


Im Gegensatz dazu erachtet syndicom die übrigen Bedingungen für die Gewährung der Zustellermässigung für relativ widerspruchsfrei interpretier- und umsetzbar. Ziel soll ja die Förderung der Vielfalt der Publikationen sein. Bei einer neuerlichen Erwähnung der «Spezialpresse» müsste diese umschrieben werden, wobei es politisch heikel wäre, sich dabei auf die Liste, mit der die private WEMF ihre Statistiken erstellt, zu berufen. syndicom schlägt vor, auf den Begriff ganz zu verzichten und ihn zu streichen.


syndicom findet es ausserdem zwar richtig, dass nur die Mitgliedschaftspresse von nicht gewinnorientierten Organisationen unterstützt wird. Die rechtliche Gesellschaftsform dieser Organisationen darf hingegen – im Gegensatz zum vorliegenden Entwurf – keine Rolle spielen.

 

Nina Scheu


Vollständiger Gesetzestext

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