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Kahlschlag bei Bund und Berner Zeitung

Der Medienkonzern Tamedia baut auf den Redaktionen von Bund und Berner Zeitung rund jede dritte Stelle ab. Jetzt braucht es einen fairen Sozialplan!

Betroffen von der geplanten Massenentlassung sind rund 20 Vollzeitstellen. Die Mediengewerkschaft syndicom fordert, dass Tamedia die Entlassungen auf ein Minimum reduziert und für den nicht vermeidbaren Teil dieses Abbaus zu einem fairen Sozialplan Hand bietet.

Heute hat der Medienkonzern Tamedia offiziell über den Zusammenschluss von Bund und Berner Zeitung informiert. Dabei haben sich die schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet: Rund ein Drittel der insgesamt 70 Vollzeitstellen sollen in den nächsten Monaten gestrichen werden. Betroffen sind alle regionalen Ressorts, die heute unabhängig und mit unterschiedlichen Prioritäten über Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport berichten. Ebenso betroffen ist das technische Redaktionspersonal, zu dem die Fotografinnen, Layouter, Bildredaktorinnen, Textproduzenten und Korrektorinnen gehören.

Die beiden bis heute in den Regionalteilen voneinander unabhängigen Zeitungen sollen künftig von einer fusionierten und drastisch reduzierten Einheitsredaktion produziert werden. Auch auf der Zentralredaktion in Zürich, bei den Zürcher Regionalzeitungen sowie in der Westschweiz droht ein schmerzhafter Stellenabbau.

Journalistische Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel

Mit diesem Schritt sägt Tamedia weiter am Ast der journalistischen Glaubwürdigkeit – und dies ohne Not. Denn das Geschäft mit den bezahlten Tages- und Sonntagszeitungen, Zeitschriften und Verlagsdienstleistungen entpuppte sich im Krisenjahr 2020 als solid und profitabel. Tamedia erwirtschaftete vor Abschreibungen einen Gewinn (EBITDA) von 11 Millionen Franken. Auf Gruppenebene betrug der EBITDA 131 Millionen Franken.

Dass die TX Group unter dem Strich rote Zahlen auswies, hat lediglich buchhalterische Gründe. So wurde insbesondere der Firmenwert der Bezahlmedien stark reduziert und es kam zu Abschreibungen aus Unternehmenszusammenschlüssen. Für das Sparprogramm bei Tamedia in der Höhe von 70 Millionen Franken bis Ende 2022 lassen sich ausser der kurzfristigen Profitmaximierung daher keine nachvollziehbaren Gründe erkennen.

Bereits im vergangenen Jahr wurden bei Tamedia schleichend 77 Vollzeitstellen abgebaut, und dies obwohl auf Gruppenebene Kurzarbeitsentschädigung in der Höhe von 21,2 Millionen Franken beansprucht wurde. Dabei ist es gerade Sinn und Zweck der Kurzarbeitsentschädigung, Stellen zu erhalten. Insbesondere in einer Pandemie, in der das Informationsbedürfnis der Bevölkerung grösser denn je ist. Das zeigt sich eindrücklich in den Reichweiten der einzelnen Titel. Beim Tagesanzeiger etwa stiegen die Nutzerzahlen 2020 gegenüber dem Vorjahr um fast einen Viertel.

Auch Bundesrat und Parlament anerkennen, dass den Medien in unserer direkten Demokratie eine zentrale Rolle zukommt. Um die rückläufigen Werbeeinnahmen zu kompensieren, wurde eine finanzielle Unterstützung für die Schweizer Medienlandschaft auf den Weg gebracht. Von dieser Medienförderung profitiert auch Tamedia. 

Kein Abbau ohne fairen Sozialplan

Aufgrund des soliden finanziellen Polsters und der Unterstützung der öffentlichen Hand sieht die Mediengewerkschaft syndicom die Geschäftsleitung von Tamedia in der Pflicht: Der geplante massive Stellenabbau ist zu reduzieren. Und für den nicht vermeidbaren Teil der Sparmassnahmen braucht es einen fairen Sozialplan. Dabei muss sich das Unternehmen an den besten Lösungen der Branche orientieren (Keystone-SDA, Le Matin, SRG). Wegen der aktuell schwierigen Situation für stellenlose Medienschaffende gehören dazu auch gute Lösungen für vorzeitige Pensionierungen und besondere Abgangsentschädigungen für die über 50-Jährigen. Die diesbezüglichen Verhandlungen ziehen sich aber seit Monaten ohne annehmbares Resultat in die Länge. Syndicom sichert dem Personal die gewerkschaftliche Unterstützung zu.

Längerfristig stellt sich die Frage, ob mit dem fortwährenden Abbau von journalistischer Leistung das Versprechen von Verleger Pietro Supino noch eingehalten werden kann, wonach der Journalismus im Zentrum des Geschäftsmodells von Tamedia stehe. Denn Fakt ist: Seriöser Journalismus lebt von den Inhalten, egal ob gedruckt oder online. Und der wichtigste Grundstein dafür sind genügend Journalistinnen und Journalisten mit fairen Arbeitsbedingungen. Tamedia ist deshalb aufgerufen, von weiterem Stellenabbau Abstand zu nehmen und für einen fairen Sozialplan Hand zu bieten.

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