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Kino, das Mut macht

Nur 70 Kilometer sind es von Berlin bis zur polnischen Grenze. Trotzdem, Polen ist wenig bekannt und was seine aktuellen Filme betrifft, quasi eine Terra incognita. Seit Beginn dieses Jahres ist eine Reihe mit fünf neueren polnischen Filmen in verschiedenen Programmkinos der Schweiz zu sehen. 

Zu Zeiten des Kommunismus gehörten Filme aus Polen zum Aufregendsten, was es von jenseits des Eisernen Vorhangs gab: Roman Polanski, Andrzej Wajda oder Krzysztof Kieslowski waren Regisseure, deren weltweiter Ruhm auf das ganze polnische Filmschaffen ausstrahlte. Mit dem frühen Tod Kieslowskis 1996 erlosch auch das internationale Interesse an polnischen Filmen. Cinelibre, der Verband der Schweizer Filmclubs und nicht gewinn­orientierten Kinos, bietet nun mit «Kino Polska» die Gelegenheit, eines der unbekanntesten Filmländer Europas neu zu entdecken.

Das Highlight der fünf Filme umfassenden Reihe ist «Courage» von Greg Zglinski. Der 1968 in Warschau geborene Regisseur ist in der Schweiz kein Unbekannter. Zglinski, der seine Jugendjahre zwischen 1978 und 1992 im Aargau verbracht und später an der berühmten Filmschule von Lodz seine Filmausbildung abgeschlossen hat, gewann 2005 mit «Tout un hiver sans feu» den Schweizer Filmpreis. Und ein Kritiker schrieb vor Jahresfrist, als «Courage» an den Solothurner Filmtagen gezeigt wurde: «Der beste neue Schweizer Film ist polnisch.»

Schuld und Verantwortung

«Courage» erzählt eine Geschichte aus dem aufstrebenden EU-Wirtschaftswunderland Polen, die nahe an der Realität ist, gleichzeitig mit unerbittlicher Konsequenz Fragen von Schuld und Verantwortung aufwirft und sich dabei jeglicher einfachen Antwort verweigert.

Im Zentrum stehen zwei Brüder, die einen kleinen Betrieb für Internet-TV besitzen, den sie von ihrem Vater geerbt haben. Dieser ist zwar kränklich, aber immer noch der Patriarch, der ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Während der jüngere Bruder, ein tatkräftiger und draufgängerischer Typ, den Wünschen des Vaters nach Expansion nachkommen möchte, ist der Ältere eher bedächtig und zufrieden mit dem, was er hat.

Als die beiden eines Tages in einem Vorortszug Zeugen eines Angriffs jugendlicher Schläger auf eine Passagierin werden, zeigt der Jüngere Zivilcourage und greift dazwischen. Worauf die brutale Bande nicht davor zurückschreckt, ihn aus dem fahrenden Zug zu werfen – derweil sein Bruder, gelähmt vor Angst, dem Treiben ohnmächtig zusieht.

Die Schläger fliehen, der Zug wird angehalten, der jüngere Bruder kommt lebensgefährlich verletzt ins Spital, während der Ältere gegenüber Familie und Angestellten behauptet, dem Bruder geholfen zu haben. Als wenig später im Internet ein Handy-Filmchen auftaucht, das die brutale Attacke zeigt, fliegt die Lüge auf. Die Konsequenzen seiner Passivität sind dramatisch und nun nimmt erst recht eine Tragödie ihren Lauf.

Mit dem Kameramann Witold Plociennik und der Schauspielerin Gabriela Muskala – hier als Ehefrau des einen Bruders, – sind zwei alte Bekannte aus «Tout un hiver sans feu» präsent, die bereits in jenem Film glänzten und deren heutige Leistungen ihren damaligen in nichts nachstehen.

Mit «33 Szenen aus dem Leben» von Malgorzata Szumowska und «Der Kratzer» von ­Michal Rosa stehen zwei weitere Dramen auf dem Programm. Malgorzata Szumowskas Film (mit der deutschen Schauspielerin Julia Jentsch in der Hauptrolle) erzählt vom Sterben der Eltern und gewann 2008 in Locarno den Silbernen Leoparden. «Der Kratzer» wurde bereits als polnische Antwort auf «Das Leben der Anderen» charakterisiert, denn Michal Rosas Film zeigt, wie das Gift von Verdächtigungen aus düsterer Stasi-Zeit bis in die Gegenwart hineinwirkt.

Leichtere Kost, und ganz im ­Heute verankert, sind schliesslich «Herrn Kukas Empfehlungen» von Dariusz Gajewski, eine heitere Komödie um Migration, und «Die Girls vom Shopping-Center», in welchem die junge Regisseurin Katarzyna Roslaniec in grellen Farben und sehr direkt von sich prostituierenden Teenagern erzählt und dabei mit sicherer Hand die entfesselte Konsumgesellschaft porträtiert.

Alle Programmdaten unter:

kino-polska.ch und cinelibre.ch.

* Geri Krebs ist freier Journalist und Filmkritiker in Zürich.

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