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Mein Abend mit Christoph Blocher

Am 24. April fand in Herrliberg bei Zürich die kantonale Delegiertenversammlung der SVP statt. Inmitten der knapp 400 SVP-Mitglieder sass ich; ein junger und den Bürgerlichen gänzlich unbekannter Regionalsekretär von syndicom. Wie kam ich zu dieser Ehre? Ich vertrat unsere Regionenleiterin Julia Gerber Rüegg, die eingeladen worden war, vor der Versammlung – die an diesem Abend über die Parolen zur Abstimmung vom 18. Mai bestimmen sollte – die Mindestlohn-Initiative der Gewerkschaften zu vertreten. Da Julia Gerber Rüegg aber bereits für ein anderes Podium gebucht war, durfte ich versuchen, die SVP-Delegierten für ein Ja zur Mindestlohn-Initiative zu motivieren. Und so sass ich denn am selben Tisch wie die SVP-Elite, also mit Christoph Blocher, Christoph Mörgeli und Natalie Rickli, und machte Smalltalk.

Nachdem sich alle erhoben hatten, um die Schweizer Nationalhymne zu singen, begann der politische Teil des Abends. Nationalrat Alfred Heer verkündete seine Erkenntnis, dass dringendst neue Wählerinnen und Wähler mobilisiert werden müssten, weil die Stadt Zürich immer linker werde. Auch die Parolenfassung für die Beschaffung von 22 Kampfflugzeugen wurde nach Blochers Votum «Ein Nein zum Gripen bedeutet ein Nein zur Schweizer Armee!» rasch über die Bühne gebracht.

Erst gegen 21.30 Uhr, nach dem Referat von Nationalrätin Natalie Rickli zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», kam mein grosser Moment. Ich stieg gemeinsam mit Nationalrat Hans Egloff auf die Bühne, um für die Mindestlohn-Initiative zu werben. Nationalrat Egloff bezeichnete in seinem Votum unsere Initiative als unsinnig, da wir in der Schweiz eine mustergültige Sozialpartnerschaft pflegten. Ich entgegnete, dass in der Schweiz nur gerade knapp 50 Prozent aller Beschäftigten einem Gesamtarbeitsvertrag unterstehen und darum ein gesetzlicher Mindestlohn für den Schutz von Löhnen mehr als notwendig sei. Und ich zeigte den Delegierten im Vergleich mit den wohlhabendsten OECD-Ländern auf: die Schweiz ist das einzige Land, das einen GAV-Abdeckungsgrad von unter 60% aufweist und trotzdem keinen gesetzlichen Mindestlohn kennt.

Nach diesen Voten wurde die Runde für Fragen geöffnet, was einige der Delegierten dazu animierte, die Angstmacherparolen der SVP lauthals zu wiederholen. Meine Antworten wurden durch ständige Zwischenrufe unterbrochen. Erst als Christoph Blocher den Moderator aufforderte, die Zwischenrufer zu unterbinden und den Referenten aussprechen zu lassen, war es auf dem Herrliberg auf einen Schlag wieder ruhig. Trotzdem stimmten die Delegierten schliesslich einstimmig gegen die Mindestlohninitiative. In der Pause meinte Christoph Blocher zu mir: «Herr Dietrich, Sie dürfen stolz auf Ihren Auftritt bei der SVP Zürich sein. In meiner gesamten Karriere durfte ich noch nie bei der SP auftreten.» Viel schöner fand ich aber das Gespräch mit einem Rentner, der mir sagte: «Ich hätte gerne Ja gestimmt, aber dann wäre ich ganz alleine unter all den Delegierten gewesen.»

Mit dem Verdacht, vielleicht sogar mehr als diese eine Person für die Mindestlohn-Initiative überzeugt zu haben, endete mein Abend mit Christoph Blocher.

Dominik Dietrich, Regionalsekretär Zürich/Ostschweiz

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