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Mit AHVplus in die Offensive

Der SGB-Präsident über die Stärken der AHV, die Schwächen des Pensionskassensystems und die Rolle der Versicherungslobby. 

syndicom: Der SGB kritisiert die Pläne des Bundesrats zur Rentenreform «Altersvorsorge 2020» scharf. Was stimmt nicht?

Paul Rechsteiner: Negativ an der Altersreform ist, dass sie den Teuerungsausgleich der AHV in Frage stellt. Das würde die AHV weiter entwerten, die schon jetzt einen Rückstand auf die Lohnentwicklung hat. Bei den Pensionskassen erleben wir die grösste Rentensenkung aller Zeiten. Der Umwandlungssatz, mit dem angespartes Kapital in Rente umgewandelt wird, soll von 6,8 auf 6 Prozent gesenkt werden. Zwar werden Kompensationsmassnahmen vorgeschlagen, doch die kommen extrem teuer für Personen mit niedrigen Einkommen, die während ihrer Erwerbszeit zusätzliche Rentenbeiträge zahlen müssten. Es ist richtig, die Reform der Renten gesamtheitlich anzugehen, der Inhalt ist aber abzulehnen.

Welcher Betrag wird den Rentenbezügern Ende Monat fehlen?

Bei niederen Einkommen würden gut 200 bis 300 Franken weniger ausgezahlt. Und das bei Renten, die bei alleinstehenden Niedrigverdienern nur 2000 Franken betragen. Besonders Frauen wären betroffen. Deren Rentenalter soll von 64 auf 65 erhöht werden. Schon jetzt haben sie oft eine schlechte Versorgung über die Pensionskassen, denn die ist gekoppelt an die Erwerbsarbeit – die bei Frauen in der Regel durch Erziehungsphasen unterbrochen wird.

Zudem will sich der Bund aus der Finanzierung der AHV zurückziehen. Was steckt dahinter?

Die AHV wird momentan zu 80 Prozent aus Abgaben von Arbeitgebern und Arbeitnehmern und zu 20 Prozent aus Bundesgeldern finanziert. Seinen Beitrag will der Bund nun halbieren und damit Gelder für den Bundeshaushalt freimachen. Da droht die Gefahr, dass Steuersenkungsprogramme mit den eingesparten Geldern begünstigt werden. Gerade Unternehmen sollen weiter entlastet, statt stärker beansprucht werden. Für solche Abenteuer braucht man mehr Gelder, die man dann von der AHV abzieht.

Wie begegnet der Gewerkschaftsbund den Reformplänen?

Die jetzige Rentenreform geht in die falsche Richtung. Bleibt sie so, werden wir das Referendum gegen sie ergreifen. Das haben wir zuletzt 2010 getan und so eine Rentenkürzung per Volksentscheid verhindert.

Auch hat der Gewerkschaftsbund im vergangenen Dezember die Initiative «AHVplus» eingereicht. Sie soll die AHV um 10 Prozent erhöhen, womit auch der Rückstand auf die Löhne aufgeholt würde.

Gerade die AHV ist für die Mehrheit der Bevölkerung viel günstiger als das System der Pensionskassen. Denn während es eine unbeschränkte Einzahlpflicht in die AHV gibt, ist die Rentenhöhe gedeckelt. Das ist das Genia­le an der AHV, und daher kommen auch die Angriffe gegen sie. Mit AHVplus wollen wir nun in die Offensive. Bisher besteht bei vielen noch eine Denkblockade, nach dem Motto: «Bei den Renten kürzt man halt.» Damit muss Schluss sein. Das wird aber ein Kampf gegen 15 Jahre neoliberale Gehirnwäsche.

Mit der Forderung nach Rentenerhöhungen steht der SGB innerhalb Europas recht allein da. Welche Widerstände gibt es?

Vom Arbeitgeberverband über den Gewerbeverband zu Thinktanks und Lobbyorganisationen wie Economiesuisse – sie alle stehen ein für Rentensenkungen. Auch der mediale Mainstream hat sich auf ein Kürzungsprogramm eingeschossen. Am schlimmsten ist der mit den Pensionskassen verbandelte Versicherungsverband.

Die Versicherungskonzerne haben nach den Banken wohl die grösste Macht in der Schweiz. Es gelingt ihnen fast immer, die politische Agenda zu prägen. Das geht bis hin zur Finanzierung bürgerlicher Parteien. Für sie ist eine Senkung des Umwandlungssatzes auf 6 Prozent das Wunschprogramm.

Erstpublikation in der Zeitschrift «junge Welt», Februar 2014

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