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Momentaufnahmen aus einem anderen Europa

An der blockierten Grenze von Griechenland nach Mazedonien strandeten ab August 2015 viele Tausende Flüchtlinge. Mitte Mai war Ricardo Torres in Idomeni, wenige Tage vor der Räumung, machte Fotos und schrieb diesen Text.

 

Vor den Toren Europas sind etwa 60 000 Personen gezwungen, unter unmenschlichen Bedingungen in improvisierten oder staatlichen Flüchtlingslagern zu leben. Auch in Idomeni, einem Ort, der zum Symbol der Migration geworden ist. Gleichzeitig gibt es das andere Europa, das sich nicht von Angst und Gleichgültigkeit lähmen lässt und mit Solidarität auf die grösste humanitäre Krise der jüngeren Geschichte reagiert. Ich meine damit die Menschen, die nicht einfach nur Nachrichten schauen, sondern sich einzeln oder mit kleinen NGOs in die Lager begeben.

Sie bringen Menschlichkeit und etwas Erleichterung in die Lagerhölle. «Die Leute sagen, es sei wichtig, Essen oder Wasser zu bringen. Aber wir brächten das Leben», erzählt mir Pav, der mit seinem Clown-Ensemble «Contaminando Sonrisas» per Autostopp zwischen den Lagern hin- und herfährt. Am ersten Tag sehe ich, wie er von der Begeisterung einer Horde Kinder überrollt wird, die sich ihm an den Hals hängen und ihn an der roten Nase ziehen.

Die einen haben Ferien genommen, die anderen sind zu Hause arbeitslos: Es ist kein Zufall, dass die meisten Freiwilligen aus Spanien und Italien kommen. Zoe, Helferin im ­«Baby-Hamam», wo man sich gemeinsam mit den Müttern um die Hygiene der Kleinkinder kümmert, bekräftigt: «In meinem Land gibt es keine Arbeit – soll ich etwa zu Hause hocken und Däumchen drehen?»

Giada und Alessandra haben das Beauty-Center gegründet, einen Rückzugsort zur körperlichen und geistigen Pflege für Frauen. Mariangela, Valentina, Camilla, Isabella und Silvia haben beschlossen, sich bei «MAM Beyond Borders» zu engagieren. Sie helfen bei der Betreuung von Müttern und Neugeborenen. Die Spanier «Bomberos en acción» sind eine Friedensarmee, die immer bereit ist, aus dem Nichts etwas zu erschaffen oder Zerstörtes neu aufzubauen, auch das Vertrauen in die Menschheit. Es gibt eine Schule, einen Radiosender und eine riesige Küche, die 7000 Mahlzeiten pro Tag zubereitet. Alle stützen sich auf Solidaritätsnetze in ihren Ländern, denen es sogar gelingt, die Wohnungsmiete für die am meisten notleidenden Familien zu übernehmen.

Text und Bilder: Ricardo Torres

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