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Natalie Rickli: Seltsame Vorstellung von Arbeit

Valentin Moser, Buchhändler in Ausbildung, besuchte mit seinen BerufsschulkollegInnen das Bundeshaus. Dabei irritierte ihn eine Aussage von Nationalrätin Natali Rickli derart, dass er ihr eine Mail schrieb. Ihre Antwort irritierte ihn allerdings nur noch mehr.

Natalie Rickli: Seltsame Vorstellung von Arbeit

Valentin Moser, Buchhändler in Ausbildung, besuchte mit seinen BerufsschulkollegInnen das Bundeshaus. Dabei irritierte ihn eine Aussage von Nationalrätin Natali Rickli derart, dass er ihr eine Mail schrieb. Ihre Antwort irritierte ihn allerdings nur noch mehr.


Natalie Rickli, Nationalrätin SVP, betont gerne, dass sie nicht nur als Politikerin, sondern auch als Kaderangestellte von Goldbach Medien viel Arbeit um die Ohren hat. So auch kürzlich im Parlament, wo sie monierte, dass die Gewerkschaften wohl nichts zu tun hätten, weil syndicom ihr zusammen mit dem SSM und Impressum einen offenen Brief geschrieben hatte.

Wenn es aber um frühmorgendliche Vorbereitungssitzungen des Parlaments geht, steht es um ihre Arbeitsmoral nicht zum Besten. Jedenfalls beklagte sie sich kürzlich gegenüber jungen Besuchern im Bundeshaus darüber, dass sie ihr morgendliches Fitnessprogramm habe sausen lassen müssen, weil das Parlament in aller Herrgottsfrühe tagte.

Das irritierte den Buchhandelsangestellten Valentin Moser einigermassen: Wäre es nicht Aufgabe der vom Volk gewählten – und gut bezahlten – ParlamentarierInnen, sich wenigstens während der Sessionswochen vorbehaltlos in den Dienst ihrer Wählerschaft zu stellen und mit Engagement ihr Amt zu versehen?

Moser schrieb also (nach der Arbeit) einen Brief an Frau Rickli, der auch flugs beantwortet wurde. Allerdings nicht zu Mosers Zufriedenheit. Statt sich für ihre Flapsigkeit zu entschuldigen, klagte Rickli, dass es doch ihr gutes Recht sei, morgens ins Fitness zu gehen. Meilenweit daneben, Frau Nationalrätin: Fitness können Sie gerne machen, aber nicht anstelle von Parlamentssitzungen, für die Sie von den Steuerzahlenden 140 000 Franken (für 3 Monate Arbeit) einsacken. Mosers Brief und Ricklis Antwort in Originallänge:

 

Sehr geehrte Frau Rickli

Am 15.03. besuchten die Auszubildenden Buchhändler im 3. Lehrjahr der WSKV Winterthur das Bundeshaus. Im Rahmen des Programms fand auch eine Gesprächsrunde mit Ihnen und der SP-Nationalrätin Chantal Galladé statt. Im Verlauf dieser Runde rühmten Sie die Vorteile unseres Milizsystems gegenüber anderen Demokratien; vor allem, dass die Politiker die Nähe zum Volk so nicht verlieren würden, weil sie beispielsweise Interviews selber gäben und einer normalen Arbeit nachgehen würden. Gerade Letzteres war Ihnen sehr wichtig zu betonen. Deshalb hallt eine spätere Bemerkung Ihrerseits finster in mir nach: Sie sagten, dass es Sie ein wenig ärgere, dass Sie wegen der Debatte um die AHV-Revision früher im Bundeshaus hätten sein müssen und deshalb morgens nicht ins Fitness hätten gehen können.

So eine Bemerkung ist - selbst wenn sie mit einem zwinkernden Auge gemacht würde – in meinen Ohren gelinde gesagt schockierend. Die anwesenden Buchhandelslernenden würden ausgelernt rund 53'000 Franken im Jahr verdienen. Brutto. Nimmt man sich die Freiheit, die 145'000 Franken, die Sie als Nationalrätin für 4x3 Wochen im Jahr erhalten, hochzurechnen, ist ihr Lohn für das politische Amt (für das Sie sich zudem freiwillig zur Verfügung gestellt haben und wählen liessen), im Verhältnis 10 mal höher. Diesen Lohn erhalten Sie einzig und allein, um Ihr Volk im Parlament würdig zu vertreten.

Ihre Aussage zeugt also nicht von der Ihnen wichtigen Volksnähe, sondern sie wirkt im Gegenteil abgehoben und arrogant. Ihre Bemerkung hat mich – und ich denke viele meiner Kolleginnen und Kollegen – beleidigt. Deshalb erwarte ich von Ihnen eine Entschuldigung.

Herzlich
Valentin Moser, Bu14b, WSKV Winterthur

 

 

Von: Rickli Natalie [natalie.rickli@parl.ch]
Gesendet: Freitag, 24. März 2017 17:07
An: Moser Valentin
Betreff: AW: Nachricht über das Kontaktformular
Sehr geehrter Herr Moser
 
Besten Dank für Ihr Mail und Ihre Anmerkung.
 
Die Sitzung bzgl. AHV bezog sich auf die Fraktionssitzung, die bereits um 7.15 Uhr morgens stattgefunden hat. Also nicht auf die Ratssitzung, bei der ich um 8 Uhr anwesend war, wie alle anderen auch.
 
Ich weiss nicht, was daran beleidigend sein soll oder wofür ich mich entschuldigen müsste. Bitte reichen Sie mein Mail der Syndicom nach, falls Sie tatsächlich gedenken, einen Leserbrief zu veröffentlichen. Am morgen früh vor der Arbeit ins Fitness zu gehen ist für alle ok – auch für Nationalrätinnen :-)
 
Alles Gute und beste Grüsse
Natalie Rickli

 

 

Von: Moser Valentin
Gesendet: Freitag, 24. März 2017 23:30
An: syndicom
Betreff: WG: Nachricht über das Kontaktformular

Hier die Reaktion von Frau Rickli und meine ersten Gedanken zu Ihren zwei Argumenten.

Die Sitzung bzgl. AHV bezog sich auf die Fraktionssitzung, die bereits um 7.15 Uhr morgens stattgefunden hat.
Tut nichts zur Sache, da die Fraktionssitzung ja auch zu ihren Aufgaben gehört und es auch um die wichtige AHV-Revision ging.

Am morgen früh vor der Arbeit ins Fitness zu gehen ist für alle ok – auch für Nationalrätinnen
Bin ich völlig einverstanden, hat nur nichts mit dem Inhalt Ihrer Aussage und meinem Problem mit dieser zu tun.

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