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«Natürlich gehört Unterhaltung dazu»

Die Schweizerischen Radio- und Fernseh Gesellschaft (SRG) ist unter Beschuss neoliberaler Kreise geraten, die den Service public zerschlagen wollen. Wir baten SRG-Generaldirektor Roger de Weck um ein Gespräch. 

 

Die Diskussionen über den Service public nehmen kein Ende. Welche Dienstleistungen verstehen Sie unter gutem Service public?

Roger de Weck: Entscheidend ist die richtige Mischung. Für ein gutes Fernseh- oder Radioprogramm braucht es bestimmte Zutaten. Diese Zutaten sind bei den Sendern des Service public völlig anders als bei kommerziellen Sendern. Ein Privatsender wird während der Prime Time niemals Kultur-, Wissenschafts- oder Wirtschaftsmagazine ausstrahlen.

Zur richtigen Mischung zählt auch die Unterhaltung. Gehört diese Ihrer Auffassung nach tatsächlich zum Service public?

Natürlich. Die Bundesverfassung nennt im Radio- und Fernseh-Artikel neben der Information, der Bildung und der Kultur auch die Unterhaltung als Auftrag. Das ist kein Zufall. Es gibt auf der ganzen Welt keinen Sender mit Vollprogramm, der auf die Unterhaltung mit ihren wichtigen Zuschaueranteilen verzichten kann. Wenn der Service public nicht das breite Publikum erreicht, ist er kein Service public. Service public heisst Dienstleistungen für das Publikum, und zwar auch für das Massenpublikum.

Audio, Video und neu auch Text: Man hört Vorwürfe, dass die SRG auf dem Internet über ihren öffentlichen Auftrag hinausgeht.

Dieser Vorwurf ist haltlos. Die SRG hat als Kernaufgabe die Herstellung von audio­visuellen Inhalten. Im Digitalzeitalter müssen wir uns nach den Publikumsgewohnheiten richten. Mit dem Internet verfügen wir zum ersten Mal in der Geschichte über eine Gesamtplattform für Bild, Ton und Text. Die SRG bleibt ihrer Aufgabe treu. Der Text soll in erster Linie das audio­visuelle Angebot unterstützen.

Problematisch sind jene Texte, die nichts zu tun haben mit den ausgestrahlten TV- und Radio-Beiträgen.

Laut Konzession sollten Artikel, die nicht in direktem Zusammenhang mit einer Fernseh- oder Radiosendung stehen, nicht länger sein als 1000 Zeichen. Dagegen steht es uns frei, jene Inhalte zu vertiefen, die zeitlich oder thematisch einen direkten Bezug haben zu einem Beitrag.

Ein weiterer Vorwurf: Dem Service public steht zu viel Geld zur Verfügung. Es gibt Kreise, welche die Werbung verbieten möchten, wie in anderen europäischen Ländern.

Wie zum Beispiel in Deutschland? Hier ist man mit 80 Millionen EinwohnerInnen und Deutsch als einziger Landessprache tatsächlich nicht von Werbung abhängig. Die öffentlichen Sender zeigen nach 20 Uhr keine Fernsehspots mehr. Im Budget von ARD und ZDF machen die Werbeeinnahmen gerade mal 5 Prozent aus. In einem Land wie der Schweiz mit 8 Millionen EinwohnerInnen und Programmen in vier Landessprachen wäre die Vollfinanzierung aller Produktionen über Gebühren viel zu teuer. Die Werbung deckt 25 Prozent unserer Programm­aufwände ab. Nur so bleiben die Gebühren im Rahmen.

Wenn wir schon bei den Gebühren sind: Worum geht es bei der Revision des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG), über die wir am 14. Juni abstimmen?

Bei dieser Abstimmung geht es um das Finanzierungsmodell für den Service public, nicht um den Service public als solchen. Heute ist die Gebührenpflicht geknüpft an den Besitz eines Empfangsgerätes. Nun verfolgen aber immer mehr Menschen unsere Programme auf ihren Smartphones, Tablets, Computern, überall und jederzeit. Im Digitalzeitalter verfügt praktisch jeder Haushalt über mindestens ein Gerät, mit dem man auf unsere Radio- und Fernsehprogramme zugreifen kann. Deshalb haben Bundesrat und Parlament entschieden, die gegenwärtige Gebührenregelung durch eine generelle Abgabe zu ersetzen. Das bringt erhebliche Vorteile mit sich.

Können Sie da konkrete Beispiele nennen?

Die Billag erhält weniger Geld. Es gibt keine Inspektoren mehr. Die Lösung ist einfacher und weniger bürokratisch, liberaler und fairer, weil alle bezahlen müssen. Und vor allem sinkt der Betrag pro Haushalt von 462 auf rund 400 Franken pro Jahr, und rund 75% der Unternehmen bezahlen überhaupt keine Abgaben. Ebenfalls befreit von der Abgabepflicht sind Menschen, die Ergänzungsleistungen zur AHV/IV beziehen sowie BewohnerInnen von Altersheimen. Personen mit einem Zweitwohnsitz müssen nur noch einmal bezahlen. Und wer wirklich überhaupt kein Empfangsgerät besitzt, kann eine fünfjährige Befreiung von der Abgabe verlangen.

Sodann erinnere ich daran, dass es bei der neuen Abgabenregelung nicht nur um die SRG geht, sondern auch um 34 lokale oder regionale Privatsender, deren finanzielle Grundlagen sich mit dem neuen Gesetz ebenfalls verbessern werden.

Wieso hat der Schweiz. Gewerbeverband (SGV) als Vertreter der kleinen und mittleren Unternehmen das Referendum gegen die Revision des RTVG ergriffen?

Ich habe mich auch gewundert, weil ja die Mehrheit der Unternehmen vom neuen System profitiert. Die Angebote der SRG werden auch in den Unternehmen immer stärker genutzt, nicht nur in den Lieferwagen oder Geschäftsautos. Seit der Einführung der Online-Angebote können sich alle jederzeit auf den neuesten Informationsstand bringen. Das kann im Geschäftsleben durchaus nützlich sein. Aus diesem Grund stehen auch grosse Verbände wie Gastro­suisse, Economiesuisse oder der Schweiz. Bauernverband hinter dem neuen Gesetz und teilen die Auffassung des Gewerbeverbands in keiner Art und Weise.

Auch die Eidg. Medienkommission (EMEK) befasst sich mit dem Service public. Was erwarten Sie von dieser Kommission?

Die EMEK befasst sich eingehend mit dem Medienplatz Schweiz und mit der Rolle des Service public. Unsere Medien­politik muss sich auf starke Grundlagen abstützen können. In der Öffentlichkeit wird häufig über Medienpolitik diskutiert, aber nicht immer in Kenntnis der Dinge. Die Kommission kann ihr Know-how, den Sachverstand und das Grundlagenwissen in die Diskussion einbringen und so die Qualität der Auseinandersetzung stärken.

* Journalistin BR

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