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Neue Freiheiten, aber auch neue Fesseln

Die Work-Life-Balance ist für den Sektor Telecom/IT das zentrale Thema bei der Vorbereitung des GAV Swisscom 2017. Die GAV-Strategiegruppe hat sich am 7. Juni bei einem Workshop in Olten intensiv damit auseinandergesetzt. 

© Jens Friedrich

 

Die Gruppe besteht zum Teil aus KollegInnen des Sounding-Boards für den aktuellen GAV Swisscom; nun sind einige neue Gesichter dabei. Gemeinsam macht man sich auf den Weg zu den nächsten GAV-Verhandlungen bei Swisscom in den Jahren 2015/2016. Denn: «Ihr seid die Akteure», betonte Sektor-Leiter Giorgio Pardini.

Seinerseits erläuterte er, was eine gute Work-Life-Balance zu tun hat mit einer Demokratisierung der Wirtschaft und Stärkung der Zivilgesellschaft. Nur in einer funktionierenden Zivilgesellschaft kann sich ja die Gewerkschaft einbringen. Freiräume bei der Arbeit sind nötig, damit sich die Menschen engagieren können. Und in den GAV-Verhandlungen wird die Basis gelegt für die Mitwirkungsrechte.

Arbeit und Freizeit verschmelzen immer mehr, wenn die Arbeitswelt gleichsam «entgrenzt» und flexibilisiert wird. Wenn also Ort und Zeit für die Arbeit nicht mehr fix vorgegeben sind und wenn Verantwortung auf Gruppen und Individuen übergeht, die ihre Arbeit selber organisieren müssen. Aber «die neuen Freiheiten haben auch neue Fesseln mit sich gebracht», so der Sektor-Leiter. Leicht geschieht es, dass Arbeit und Freizeit nicht mehr im Gleichgewicht sind. Und dies hat Folgen für die Arbeitnehmenden.

Deshalb will die Gewerkschaft mitreden, wenn es um die Organisation der Arbeit und die Einführung neuer Technologien geht. Die Mentalität des «Ich komme um sieben und gehe um zwölf und komme um zwei und gehe um fünf» ist passé angesichts der Entwicklung der neuen Technologien: die Welt ist viel schneller und durchlässiger geworden. Dies eine der Erkenntnisse, zu denen die Teilnehmenden am Workshop in Gruppenarbeit gelangten.

Dass es gegenüber den früher oft starren Arbeitszeiten vielerorts die Möglichkeit einer relativ freien Zeiteinteilung gibt bedinge ein hohes Mass an Disziplin. Nicht alle könnten mit den neuen Freiheiten gleich gut umgehen – und man bezahle sie auch mit neuen Abhängigkeiten. Die Vorgesetzten müssten dafür sorgen, dass die Entwicklung nicht zulasten der Arbeitnehmenden geht. Sie sollten die Mitarbeitenden darauf ansprechen, wenn diese zu viel, auch am Wochenende oder sogar in den Ferien arbeiten – es bräuchte mehr Sensibilität, mehr Bewusstheit seitens der Unternehmen. Und Giorgio Pardini betonte: «Wir müssen die Arbeit wieder entschleunigen und Grenzen setzen, Arbeit und Privates müssen besser getrennt werden können.»

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Dass es bei Swisscom für die Angestellten zahlreiche Freizeitangebote gibt – vom Kochkurs bis zum Sport –, wird unterschiedlich bewertet. Die Leute in der Deutschschweiz täten sich eher zusammen als jene in der Romandie und im Tessin, hiess es am Workshop. Das Unternehmen dränge die Mitarbeitenden fast zu gemeinsamer Freizeit. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob das nicht zweischneidig sei – «gratis gibts doch nichts». Es werde eine Art «Wohlfühlatmosphäre» geschaffen; die Mitarbeitenden seien dann länger für die Firma da.


Andere fanden es gut, über Mittag mit KollegInnen laufen gehen zu können, oder betonten, dass so das Netzwerk gestärkt werde. Sektor-Leiter Giorgio Pardini gab zu bedenken, dass solche Firmenaktivitäten nicht ungefährlich seien – verliert nämlich jemand seine Arbeit, verliert er auch viel, was sein Privatleben geprägt hat. Und das sei alles andere als positiv. (gbr)

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