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Offene Augen, offenes Herz

Silvia Luckner, Gewerkschafterin und Fotografin, ist am 6. August 58-jährig, nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben. Ein Nachruf auf eine Freundin.

Silvia ist der Grund, weshalb ich mich im Branchenvorstand engagiere. Wegen ihr ging ich gern zu den Sitzungen. Mit der Zeit lernte ich auch die anderen Kolleginnen schätzen. Aber ich wusste von Anfang an: Wenn Sile dabei ist, wird’s gut.

Wir lernten uns vor mehr als zehn Jahren beim Tages-Anzeiger kennen. Sie war Fotografin, ich Journalistin und zwanzig Jahre jünger als sie. Den Altersunterschied vergass ich bald. Manchmal gab sie uns Redaktorinnen auf ihre bärbeissig bestimmte Art den Tarif durch: Für Fotoaufträge durften wir niemals die Worte „schnell go fötele“ verwenden. Sie lernte uns Respekt vor dem Bild. Im Gegenzug hielt sie uns Schreibende aber oft in Schnappschüssen fest, als persönliche Erinnerung für uns.

Zu Interviews fuhren Silvia und ich meist in ihrem klapprigen, gelben Fiat Panda. Mit lässiger Geste grüsste sie dann die Postautochauffeure, schliesslich waren mit ihrem Auto auch einmal Briefe ausgetragen worden. Ihr Humor war entwaffnend. Dank ihrer früheren Erfahrung als Psychiatriepflegerin ebnete sie mir mehr als einmal den Zugang zu einer Gesprächspartnerin, etwa zur 100-jährigen Frau ohne Kurzzeitgedächtnis.

Silvia ging neugierig auf Menschen zu. Ihr Interesse am Unbekannten, an fremden Kulturen war gross. Ihre Reisen führten sie unter anderem nach Indien, Japan oder Mali. An der Fotobiennale in Bamako wählte sie Bilder von jungen Fotografen aus, um sie später in einer Schau in Bern zu zeigen. Als Kuratorin kam ihr zugute, dass sie sich selbst nicht allzu wichtig nahm.

Auch dem Krebs begegnete sie mit Selbstironie. Von der ersten Chemotherapie schickte sie mir ein Selfie mit breitem Grinsen und Kühlhaube. Diese sollte ihre Haare am Ausfallen hindern. Dabei hatten wir den Perückenkauf schon geplant. Sie war absolut stilsicher. Ihre Schuhsammlung zählt laut gut unterrichteten Quellen um die 150 Paare. Ihre schwarzen Kleider, die markante Brille, ihr Schmuck – alles war stets auserlesen.

Trotzdem war Silvia nie zu eitel, am 1.-Mai-Umzug ein Käppli zu tragen. Ich bewunderte sie als politischen Menschen und unabhängige Frau. Sie setzte sich vehement für bessere Arbeitsbedingungen in den Redaktionen ein und vertrat die Medienschaffenden im Zentralvorstand der fusionierten Gewerkschaft. Sie begrüsste es, dass wir mit Druckern, Pöstlern und anderen zusammenspannen. Wurden Machtkämpfe ausgetragen, konnte sie richtig hässig werden. Ihr ging es immer um die Sache.

Sie fand überall Freunde, weil sie mit offenem Herzen auf Menschen zuging. Wie gross ihr Freundeskreis war, sah ich an ihren üppigen Feiern, so auch an ihrer letzten, an ihrem rauschenden Abschiedsfest. Silvia wollte nicht, dass wir traurig sind.

Sabine Arnold, freie Journalistin, Branchenvorstand Presse und elektronische Medien

 

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