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Offener Brief an sda-Verwaltungsrat Matthias Hagemann

Betrifft: Richtigstellung der Aussagen in Interviews mit telebasel und watson.ch

Sehr geehrter Herr Hagemann,

die sda-Redaktion möchte verschiedene von Ihnen getätigte Aussagen in Interviews mit telebasel und watson.ch richtigstellen. Unsere Angaben basieren auf Zahlen und Fakten. Solche versuchen wir in unserer Arbeit als sda-Journalisten täglich zu vermitteln.


«Das [der Abbau] ist leider ein ganz normaler Vorgang in der privaten Wirtschaft.»

Falsch. Wenn eine Massenentlassung bei einem privaten Unternehmen bevorsteht, wird diese nicht zu grossen Teilen in einem Monat umgesetzt – von der Kommunikation bis zum Kündigungsgespräch. Der Verwaltungsrat hat im Vorgespräch mit der Redaktionsdelegation von Anfang Februar selber zugegeben, dass ein solcher Abbau normalerweise mindestens ein halbes Jahr in Anspruch nimmt. Dies sei wegen der bevorstehenden Fusion mit Keystone aber nicht möglich. Die Art und Weise, die rasende Brutalität, mit welcher der Abbau vonstattengeht, ist nicht normal für ein bisher als sozial geltendes Unternehmen. Es werden Kolleginnen und Kollegen gekündigt, ohne dass ihnen wenigstens gesagt würde, mit welchen konkreten finanziellen Einbussen sie zu leben haben. Stattdessen wird die Redaktionskommission verantwortlich gemacht für die fehlende Sicherheit beim Sozialplan, der deshalb so unausgewogen ist, weil er einseitig ohne vorgängige Konsultation entworfen wurde. Die Schuldzuweisungen an die Redaktionskommission sind in einem solchen Kontext nur absurd.


«Die Kunden sind nicht mehr bereit, im gleichen Umfang für die sda zu bezahlen.»

Der Verwaltungsrat – deren Mitglieder teilweise Vertreter von Grosskunden der sda sind – hat vor Jahren ein neues Tarifmodell verabschiedet. Als es dann darum ging, dieses umzusetzen, haben sich die Kunden gewehrt. Der CEO hat im vergangenen Jahr einen Einführungsrabatt von 10 Prozent gewährt. Dieser Rabatt ist zu einem beträchtlichen Teil Grund für das prognostizierte Defizit im laufenden Jahr. Die Ursache für die aktuelle Situation liegt bei Managementfehlern, die jetzt die Redaktion ausbaden soll. 


«[Der] Abbau [wurde] von den Medien aufgebauscht.»

Einen Abbau von 35,4 von 150 Vollzeitstellen in der Redaktion kann man nicht aufbauschen. Es handelt sich um einen Abbau von rund einem Viertel der Belegschaft, eine Massenentlassung. Neben Entlassungen gab es zwar auch Pensenreduktionen sowie zwangsweise Versetzungen an einen anderen Arbeitsort. Doch auch diese Massnahmen können die Betroffenen in finanzielle oder persönliche Schwierigkeiten bringen.

Für betroffene Familienväter und -mütter kann eine Lohneinbusse von 20 Prozent durchaus ein Problem darstellen. 


«Es handelt sich um zwölf Frühpensionierungen [...]»

Beschönigend, da Frühpensionierte mit erheblichen finanziellen Einschnitten auf sich selbst gestellt werden. Selbst CEO Schwab hat der Redaktion gesagt, dass es sich bei den Entlassungen der über 60-jährigen Kolleginnen und über 61-jährigen 

 Kollegen um Kündigungen handelt. Wer sich „frühpensionieren“ lassen will, muss das ohne Unterstützung durch die sda tun. Im Sozialplan fehlen angemessene Unterstützungsleistungen. Um nicht zu verarmen, müssen Betroffene nach jahrzehntelangem Einsatz für die sda kurz vor dem ordentlichen Pensionsalter noch aufs Arbeitsamt ohne realistische Aussicht auf eine zumutbare Neuanstellung.


«Es fehlt jede Verhältnismässigkeit.»

Für einmal eine richtige Aussage – in einem anderen Kontext. Die Grösse des Abbaus ist nämlich nicht verhältnismässig. Es wird rund eine Million Franken mehr eingespart als aufgrund des Einnahmenrückgangs nötig wäre.


«[...] Gewinne von Tochtergesellschaften, die das Management erwirtschaftet hat.»

Meistens erwirtschaftet die Belegschaft mit der Schaffung eines Produkts – in unserem Fall: Journalisten produzieren Information – Gewinne, nicht das Management. Mit diesen Gewinnen war es möglich, die Tochtergesellschaften oder Anteile davon zu kaufen. Die gewinnträchtige Tochter AWP gehörte der SDA zunächst vollständig ab 2001 (also vor dem Eintritt von Markus Schwab in die Geschäftsleitung), jedoch trat die sda unter der Leitung von CEO Schwab später Anteile an internationale Nachrichtenagenturen ab und verzichtete damit auf einen Teil der Gewinnablieferung.


«Das [die Fusion und der Stellenabbau] ist ein rein zeitliches Zusammentreffen, das hat sachlich keinerlei Zusammenhang.»

Falsch. Der Verwaltungsrat hat in einem Gespräch mit der Redaktion selbst gesagt, dass er im vergangenen Jahr seine ganze Energie in die Fusion mit Keystone gesteckt habe. Im Herbst sei das Management dann von den harzigen Tarifverhandlungen mit den Kunden überrascht worden. Die kurzsichtige Lösung: Man gewährte den Kunden einen Einführungsrabatt, um sie an Bord zu halten. Tarifverhandlungen in wenigen Wochen mit Rabatten und Gratisdiensten wie Video zu beenden, weil man sie wegen Fusionsarbeiten nicht auf dem Radar hatte, sind Fehler des Managements.


«Wir haben diese Verhandlungen keineswegs einseitig abgebrochen.»

Wir zitieren aus dem Communiqué des Verwaltungsrats vom 19. Februar: «Der Verwaltungsrat der Schweizerischen Depeschenagentur (sda) hat die Verhandlungen mit der Redaktionskommission nach vier Runden am Montag für gescheitert erklärt.»
 

«Es waren vier Verhandlungsrunden.»

Falsch. Es waren drei Verhandlungsrunden. Am Montag, 19. Februar, handelte es sich um eine Information des Verwaltungsrats. Im Gespräch hat die Verwaltungsratsdelegation gegenüber der verhandlungsbereiten Redaktionskommission erläutert, dass er nicht weiter verhandeln werde und am vorhergegangenen Freitag stattdessen die Einigungsstelle des Bundes angerufen habe. Von einem vierten Verhandlungstag kann also keine Rede sein.


«Wir haben den Sozialplan aufgebessert.»

Falsch. In den genannten 2,5 Millionen Franken verstecken sich Kosten, die nicht in einen Sozialplan gehören. Ein Sozialplan enthält Leistungen, die soziale Härten abfedern, indem er Leistungen enthält, die über die gesetzlichen Pflichten das Arbeitgebers bei normalen Kündigungen hinausgehen. «Aufbesserung» setzt sich vollumfänglich aus Kosten zusammen, die der Arbeitgeber gemäss Gesetz zu tragen hat. So sind darin Lohnkosten enthalten für Personen, denen aus gesetzlichen Gründen noch nicht gekündigt werden konnte. Auch die Sistierung der Kündigungen während der Verhandlungen wurden hineingenommen. Oder Kosten für die psychologische Betreuung der gekündigten Mitarbeitenden. Zieht man diese Kosten ab, hat der bisher angebotene Sozialplan einen Umfang von 1,9 Millionen Franken und damit den gleichen Umfang wie vor den Verhandlungen. Dabei sind mit den rund 20 Millionen Gewinnreserven genügend Mittel vorhanden, um einen tatsächlich grosszügigen Sozialplan auszugestalten und die Zukunft der sda zu sichern. 


«Er [CEO Markus Schwab] hat es geschafft, bis im Jahr 2018 die sda-Redaktion von Abbaumassnahmen freizuhalten.» (zwei Mal erwähnt)

Die Zahlen zeigen etwas anderes. Zwischen 2003 und 2016 wurde der Personalbestand der sda-Redaktion um 23,45 Prozent gekürzt (siehe entsprechende Geschäftsberichte).

«Dieses Detail des Arbeitsvertrags [von CEO Markus Schwab; unkündbarer Vertrag auf Jahre hinaus, Anm. d. Red.] kenne ich nicht.»

Zumindest ungewöhnlich, dass nicht einmal der Verwaltungsrat selbst von den Löhnen und Verträgen des Managements weiss. Die Kündigungsfrist des CEO sollte zudem für sein Aufsichtsgremium kein Detail sein.


«Wenn die Redaktion einen Schritt zurückgehen und etwas vernünftig denken würde [...]»

Ersetze Redaktion durch Verwaltungsrat. Ein weniger schneller Abbau hätte wohl dazu geführt, dass das Vertrauensverhältnis in die Unternehmensleitung nicht innerhalb weniger Wochen komplett zerstört worden wäre.


«Bei Radio Basilisk haben wir beim ersten Streik gemerkt, dass wir es auch ohne sda könnten.»

«Wir» muss hier noch definiert werden. Zahlreiche Rückmeldungen von Kolleginnen und Kollegen aus Kundenredaktionen an unsere Adresse tönen anders. Sie möchten nicht auf uns verzichten, weil sie und die Leser/Hörer/Zuschauer dann auf viele Inhalte verzichten müssten. Es könnte sein, dass die Verwaltungsräte und Verleger wegen ihrer Distanz zum journalistischen Tagesgeschäft die Realität etwas aus den Augen verloren haben.

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