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Paul Rechsteiner: Löhne gegen Dumping schützen

Ausserdem: Die AHV-Rente nachbessern – und die Errungenschaften des sozialen Staatswesens gegen Angriffe verteidigen. Paul Rechsteiner zu den wichtigsten Zielen der Gewerkschaftsbewegung im neuen Jahr. 

 

SGB: Seit den Wahlen im Oktober haben FDP und SVP eine Mehrheit im Nationalrat. Diese Mehrheit politisiert antisozial und arbeitnehmerfeindlich. Welches sind da die drei grössten Herausforderungen für den SGB im kommenden Jahr?

Paul Rechsteiner: Die erste Herausforderung besteht darin, im aktuellen Jahr ein geregeltes Verhältnis mit der EU zu erreichen. Wir wollen die Arbeitsplätze und die Löhne sichern. Dafür braucht es eine Stärkung der Schutzmassnahmen.

Zum Zweiten geht es darum, die AHV-Renten zu verbessern. Wir werden für die Volksinitiative AHVplus kämpfen, die dieses Jahr zur Abstimmung kommt. Für die Altersvorsorge 2020 ist die Ausgangslage nach den Wahlen schwieriger geworden. Klar ist: Eine von Verschlechterungen geprägte Vorlage wird von uns bekämpft.

Ein gutes Signal ist der erfolgreiche Kampf der Bauarbeiter für das Rentenalter 60 und gute Renten auf dem Bau. Das zeigt uns zum einen, dass es anständige Renten braucht und eine Verschlechterung nicht verträgt. Und zum andern, dass zusätzliche Beiträge kein Tabu sind, wenn es mehr Geld braucht. Drittens müssen wir 2016 wohl mit grös­seren Angriffen auf die sozialen Errungenschaften im Arbeitsgesetz und durch Sparprogramme rechnen. Aber wir sind nicht wehrlos. Soweit Gesetze geändert werden, können wir Verschlechterungen mit dem Referendum bekämpfen.

Die Bürgerlichen haben im Natio­nal­rat die Forderung nach höheren AHV-Renten hart angegriffen. Sie behaupten, dass die Initiative «Giesskannenverbesserungen» bringe, die man nicht bezahlen kann. Was sagst du?

Wer ein Leben lang gearbeitet hat, muss von AHV- und BVG-Rente anständig leben können. Die AHV-Renten sind gegenüber den Löhnen in Rückstand geraten. Hier muss aufgeholt werden, denn gerade Personen mit tiefen und mittleren Löhnen müssen bei der Pensionierung einen empfindlichen Einkommensschnitt verdauen.

Klar braucht es mehr Finanzen, wenn die Renten erhöht werden. Der nötige Mehrbedarf an Mitteln ist bei der AHV gut investiert. Ich verweise nochmals auf die Bauarbeiter: Die Lohnbeiträge für gute Renten lohnen sich.

Wieso konzentrieren sich die Gewerkschaften auf eine Stärkung der AHV?

In der zweiten Säule zahlen wir immer mehr ein, müssen aber froh sein, wenn wir wenigstens das Erreichte halten können. Die AHV hat für alle mit unteren und mittleren Einkommen ein sensationelles Preis-Leistungs-Verhältnis. Wenn die Menschen im Alter sicher leben sollen, müssen wir die AHV stärken, das steht fest.

Themenwechsel: Der Bundesrat will die Masseneinwanderungs-Initiative mit einer Schutzklausel umsetzen. Auch ohne Einigung mit der EU sollen damit ab einem ominösen Schwellenwert Kontingente für einen Rückgang der Zuwanderung sorgen. Ein akzeptabler Weg?

Wir müssen auf jeden Fall die Bilateralen Verträge erhalten. Einen Rückgriff auf Kontingente mit der Neuauflage eines Saisonnierstatuts lehnen wir klar ab. Die jüngere Geschichte hat gezeigt: das bringt nur Diskriminierung und eine Tief­lohn­politik in den betroffenen Branchen. Im neuen System mit gleichen Rechten für alle ist es gelungen, die Löhne zu verbessern und die Gesamtarbeitsverträge zu stärken. Das sind unsere Ziele, und wir kämpfen weiter für sie, aber unter veränderten Voraussetzungen.

Die Menschen sind verunsichert. Sie befürchten Stellenverlust und Lohnabbau. Was tun?

Es geht darum, die bereits ergriffenen Schutzmassnahmen weiterzuentwickeln. Die flankierenden Massnahmen zum Schutz der Löhne hatten und haben eine positive Wirkung. Auf neue Probleme braucht es aber neue Antworten. Nicht nur auf Bundesebene. Auch in den Kantonen ist im Kampf gegen Lohn­dumping einiges in Bewegung geraten.

Im Tessin, in Baselland und in Genf gibt es neue Massnahmen. In Zürich wird im Februar über eine Gewerkschafts-Initiative gegen Lohndumping abgestimmt. Das sind wichtige Schritte. Auch zum Schutz älterer Beschäftigter muss mehr geschehen.

Ende Februar stimmen wir auch über die sogenannte Durchsetzungs-Initiative ab. Warum müssen wir Nein stimmen?

Das Parlament hat im Gesetz zum neuen Ausschaffungsartikel eine Härtefallklausel festgeschrieben. So, wie es der Rechtsstaat verlangt.

Die ­Durchsetzungs-Initiative will dagegen einen Automatismus ohne jeden Spielraum für die Gerichte. Das verstösst gegen die Menschenrechte, aber auch gegen die Gewaltenteilung. Die Ausschaltung der Gerichte ist ein Angriff auf den Rechtsstaat. Es geht um menschliche Schicksale. Nämlich um Hunderttausende von Secondos und Secondas, die hier geboren und aufgewachsen sind. Und um ihre Angehörigen. Sie gehören zur Schweiz. Nicht nur, wenn es um Fussball geht.

Auch wenn sie einmal eine Dummheit oder eine Jugendsünde begangen haben. Dafür sollen sie bestraft werden wie alle anderen auch. Aber nicht auch noch ihre soziale Existenz verlieren. Alles andere wäre eine Schande für die schweizerische Demokratie.

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