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Positive Entwicklung trotz Lohndruck - teilweise sinkende Löhne im Service Public

Die Medianlöhne sind zwischen 2014 und 2016 um 1.2 Prozent gestiegen. Das ist positiv. Denn mit der Aufgabe des Mindestkurses am 15. Januar 2015 stieg der Druck auf die Löhne schlagartig – insbesondere in der Exportwirtschaft. Die Gewerkschaften konnten mit Interventionen in den Betrieben und Gerichtsprozessen grössere Lohnsenkungen verhindern. Auch die Flankierenden Massnahmen dürften stabilisierend gewirkt haben.

In der Maschinen- und Elektroindustrie resultierte eine rote Null (-0.1 bzw. -0.3 Prozent). Besorgniserregend ist hingegen, dass die Löhne in verschiedenen binnenorientierten Branchen gesunken sind. Der Druck auf die Bauarbeiter im Hoch- und Tiefbau ist gestiegen (-0.9 bzw. -1.4 Prozent). Aber auch in Service-Public-Branchen Landverkehr (-2.4 Prozent), Post- und Kurierdienste (-2.3 Prozent) oder Sozialwesen (-2.2 Prozent; Im BFS-Lohnindex weisen diese Branchen eine positive Nominallohnentwicklung auf. Allerdings ist die Stichprobe des Lohnindex‘ wesentlich kleiner als diejenige der Lohnstrukturerhebung und umfasst nur verunfallte Arbeitnehmende. Die Frage der Lohnentwicklung in diesen Branchen muss weiter vertieft werden).

Nach wie vor Lohnrückstand der Frauen – trotz Verbesserungen

Seit 2008 sind die Löhne der Frauen stärker gestiegen als diejenigen der Männer. Der Einsatz der Gewerkschaften für die Verbesserung der Stellung der Frauen im Erwerbsleben hat Wirkung gezeigt. Ihre Löhne steigen, auch dank der Mindestlohnkampagne „keine Löhne unter 4000 Franken“. Denn Frauen arbeiten häufiger zu Tieflöhnen. Von den spürbaren Erhöhungen der tiefen Löhne haben sie stärker profitiert.

Der Aufholprozess verlor aber ab 2014 an Schwung. Die „freiwilligen Massnahmen“ des Bundes gegen die Lohndiskriminierung zeigten kaum mehr Wirkung. Der Lohnrückstand der Frauen ging in der Privatwirtschaft nur noch von 15,1 auf 14,6 Prozent zurück. In der Gesamtwirtschaft nur von 12.5 auf 12 Prozent.

Tieflohnproblem bleibt – aber Lohnfortschritte durch Mindestlohnkampagne

Ebenfalls positiv ist, dass der Anteil der Tieflohnstellen zurückgegangen ist. Auch das ist eine Folge der gewerkschaftlichen Mindestlohnkampagne. Zwischen 2012 und 2016 stiegen die Löhne der untersten 10 Prozent (erstes Dezil) mit 7.4 Prozent deutlich stärker als die Löhne insgesamt (Medianlohn +1 Prozent). Insbesondere in Branchen mit Gesamtarbeitsverträgen wie dem Gastgewerbe oder Teilen des Detailhandels stiegen die Löhne spürbar an. Nach wie vor arbeiten aber rund 500‘000 Personen in einer Tieflohnstelle (inkl. Landwirtschaft).

Positive Verteilungseffekte von Gesamtarbeitsverträgen

Gesamtarbeitsverträge wirken grundsätzlich ausgleichend auf die Lohnverteilung. Sie stärken die Verhandlungsposition der Arbeitnehmenden, was insbesondere in Branchen und Betrieben mit einer gewissen marktmächtigen Stellung von Bedeutung ist. Und sie können Ungleichbehandlungen von einzelnen Arbeitehmergruppen verhindern. In der ökonomischen Forschung sind in jüngerer Zeit verschiedene interessante Studien zu diesem Thema publiziert worden. Wenn Gesamtarbeitsverträge Diskriminierungen oder Lohndumping verhindern, erhöhen sie die tiefen und mittleren Löhne ohne dass negative Beschäftigungseffekte resultieren. Die LSE zeigt, dass im Gastgewerbe – einer Branche mit allgemeinverbindlich-erklärtem GAV – die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern, aber auch das Lohngefälle zwischen hohen und tiefen Löhnen geringer ist als beispielsweise im Detailhandel, der nur teilweise durch GAV abgedeckt ist.

Leider kommen nur rund 50 Prozent der Berufstätigen in den Genuss eines GAV. Wachsende Branchen wie die Informatik, die Fitnesscenter oder die Kosmetikinstitute haben gar keine sozialpartnerschaftlichen Strukturen.

Problem der Bonuszahlungen

Bedenklich ist, dass die Bonuszahlungen zwischen 2014 und 2016 wieder zugenommen haben. Die Bonuszahlen verstärken in der Regel die ungleiche Verteilung der Löhne und namentlich auch die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern. Gemäss den vom BFS für 2016 veröffentlichten Zahlen erhalten die Männer mehr als doppelt so hohe Boni wie die Frauen. Immerhin kommen in jüngerer Zeit Firmen vermehrt zum Schluss, dass die Bonuszahlungen für die Motivation der MitarbeiterInnen und das Betriebsklima abträglich sind.

Wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen

Die Resultate der Lohnstrukturerhebung 2016 zeigen, dass mit geeigneten Massnahmen positive lohnpolitische Wirkungen erzielt werden können. Aus gewerkschaftlicher Sicht sind für die nahe Zukunft folgende Ziele und Massnahmen prioritär:
 

  • Es braucht wirksame Massnahmen gegen die Lohndiskriminierung der Frauen. Für den SGB sind behördliche Lohnkontrollen und Durchsetzungsmassnahmen prioritär.
  • Es braucht mehr Gesamtarbeitsverträge mit guten Mindestlöhnen. Die Hürden für die Allgemeinverbindlich-Erklärung sind zu hoch. Das verhindert nicht nur neue GAV, sondern bedroht auch bestehende Verträge.
  • Es braucht generelle Lohnerhöhungen. Der Aufschwung muss genutzt werden, um die Lohnprobleme der Normalverdienenden zu entschärfen – durch weitere Erhöhungen der unteren Löhne, aber auch durch mehr Lohn für Berufsleute mit einer Lehre.
  • Die Flankierenden Massnahmen und die Lohnkontrollen spielen eine wichtige Rolle im Kampf gegen Lohndumping. Leider werden sie in Teilen der Zentral- und Ostschweiz nicht richtig umgesetzt. Schweizer Firmen werden kaum kontrolliert. Bund und Kantone müssen diesen Missstand korrigieren.

Im BFS-Lohnindex weisen diese Branchen eine positive Nominallohnentwicklung auf. Allerdings ist die Stichprobe des Lohnindizes wesentlich kleiner als diejenige der Lohnstrukturerhebung und umfasst nur verunfallte Arbeitnehmende. Die Frage der Lohnentwicklung in diesen Branchen muss weiter vertieft werden.

Kommentar von SGB-Chefökonom Daniel Lampart zur Lohnstrukturerhebung 2016

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