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Produktivitätssteigerung um jeden Preis?

Die schlechten Nachrichten aus dem Zwischenbuchhandel reissen nicht ab. Obwohl sich am Markt immer weniger Firmen den ­Kuchen teilen, wird es eng. Die AVA Verlagsauslieferung reagiert mit einer Verlängerung der Arbeitszeit. Die Mitarbeitenden sind enttäuscht – und verärgert.

Das neue Jahr hat für die 47 MitarbeiterInnen der AVA Verlagsauslieferung AG ausgesprochen schlecht begonnen. Mitte Januar wurden sie darüber informiert, dass sie ab Juni wöchentlich zwei Stunden länger arbeiten müssen – und dies erst noch ohne Lohn. Begründet wird die Sparmassnahme mit dem Konzentrationsprozess im Zwischenbuchhandel. Seit die Verlagsauslieferung Herder Ende 2012 ihre Geschäftstätigkeit eingestellt hat, teilen sich das Schweizer Buchzentrum, der Bücherdienst Balmer und die AVA den Markt. Da die Buchpreise wegen des starken Frankens kontinuierlich sinken und weil viele Buchhandlungen direkt in Deutschland bestellen, sinkt das Geschäftsvolumen. Zudem bestellen viele Endkunden beim deutschen Onlinehändler Amazon, was dazu beiträgt, dass Buchhandlungen schlies­sen müssen. Und die Zukunftsaussichten sind auch nicht rosig: E-Books führen nicht zu höheren Umsätzen, im Gegenteil.

Schmerzgrenze überschritten

Die Branchenentwicklung kennen viele MitarbeiterInnen sehr gut und beobachten sie nicht ohne Sorgen. Und obwohl sie sich in hohem Masse mit ihrem Arbeitgeber und der Branche identifizieren, sind sie sehr enttäuscht: Da sie schon jetzt oft am Limit arbeiten, stellt eine zweistündige Mehrarbeit eine enorme Belastung dar. Dass diese Arbeit «gratis» geleistet werden muss, gibt den Betroffenen das Gefühl, ausgenutzt zu werden. Ihnen stehen überhaupt keine Kennzahlen zur Verfügung, und so können sie die Sparmassnahme nicht nachvollziehen und fühlen sich für dumm verkauft. Die fehlenden Zahlen sowie die paar Tage, die ihnen zur Verfügung gestellt wurden für die Teilnahme am Konsultativverfahren, waren der Grund, dass sie sich gegen eine Beteiligung an der Konsultation entschieden. Die Aufforderung, Vorschläge zu machen, wie die Massnahme verhindert werden könnte, erschien ihnen als Farce.

Stattdessen schrieben die Betroffenen einen Brief an den Verwaltungsrat, um ihm Vorschläge zu unterbreiten, wie man die Umsetzung der Massnahme abfedern könnte. Es ging um die Pausenregelung, Sperrzeiten bei der Stempeluhr und um drei bezahlte Freitage über Weihnachten/Neujahr.

Wer zahlt, befiehlt

Die Antwort des Geschäftsführers Stefan Schwerzmann kam prompt. Alle Vorschläge wurden abgelehnt, sie seien «nicht möglich» . Und die drei bezahlten Freitage würden die angestrebte Produktivitätssteigerung abschwächen. Schwerzmann liess es nicht bei der Ablehnung, sondern fühlte sich bemüssigt, sein Personal auch noch zu belehren: Nicht der Verwaltungsrat sei zuständig für arbeitsrechtliche Angelegenheiten, sondern er selbst. Zudem sei ein Konsultationsverfahren dazu da, Vorschläge zur Verhinderung von Sparmassnahmen zu machen, was sein Personal enttäuschenderweise nicht getan habe.

Die Verantwortlichen der AVA scheinen es darauf angelegt zu haben, die Grenzen des Erträglichen, der Loyalität und der Geduld ihrer Mitarbeitenden auszuloten. Schade: das bis anhin sehr engagierte Team wird unter diesen Umständen wohl mehr Mühe haben, seine Motivation aufrechtzuerhalten. Keine gute Voraussetzung für Produktivitätssteigerungen.

Danièle Lenzin, Co-Präsidentin und Leiterin Branche Buch und Medienhandel

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