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Rauch, Ideen, Lederjacken und eine Suppe

Das erste Reporter-Forum in Zürich – nach dem berühmten Vorbild aus Hamburg von einer Gruppe junger JournalistInnen auf die Beine gestellt – war ein voller Erfolg. Ein- und Ansichten eines der Initianten. 

 

Noch nie war die Zeit so gut, um Journalist zu sein. Noch vor zehn, fünfzehn Jahren: nicht annähernd so beflügelnd. Die Möglichkeiten, die uns heute offen stehen, die Vielfalt der Kanäle: noch nie dagewesen. So fasste Ariel Hauptmeier, Textchef bei «Correctiv» in Deutschland, seinen Vortrag am Reporter-Forum zusammen, das zum ersten Mal in Zürich stattfand. Ungewohnte Klänge von einem, der lange für «Geo» arbeitete und zu Beginn des Jahres die Kündigung bekam, entlassen mitsamt seinem Team.

erfrischende worte

Überraschende Worte, die aber passten: Das Forum war eine Demonstration der Munterkeit im Vergleich zur Beklemmung, die viele Redaktionen im Griff hat: Noch nie war es schlimmer, Journalist zu sein. Noch vor zehn Jahren war alles gut. Die Möglichkeiten, die bleiben: ein Rest verlorener Freiheiten.

Befangener Initiant

Ich war nicht als Teilnehmer da, auch nicht als Beobachter. Mit knapp zwanzig Leuten war ich Teil einer Gruppe, die sich länger als ein Jahr einmal im Monat traf, um diesen Tag im Volkshaus zu planen. Ein Haufen Zigarettenstummel, eine Tonne Altglas, fusslig geredete Münder, Streitereien, Versöhnungen, fertig war der Anlass.

Am Anfang sprachen wir vor allem darüber, wie wir stilvoll überleben können: mit gründlichen Recherchen, abenteuerlichen Ideen, beseelten Geschichten. Am Ende ging es fast nur noch um die verblüffende Komplexität, die hinter einem solchen Anlass steht – wir wurden zu einer Art WG mit ausgefeiltem Ämtliplan.

Feinschmecker-Anlässe

Am Forum fühlte ich mich dann aufgehoben wie ein Brief­marken­sammler am Philatelistenkongress. Es gab mehr als ein Dutzend Vorträge. Wie baut man eine «Spiegel»-Titelgeschichte? Welche wirtschaftlichen Modelle jenseits der Verlage haben Chancen auf Erfolg? Woraus besteht der Zauber amerikanischer Podcasts? Was muss man tun, um Geschichten vor der Haustür aufzuspüren? Wie recherchiert man in El Salvador unter Lebensgefahr? Was sagt der guruhafte Grossmeister der Reportage, Cordt Schnibben, über digitale Dramaturgie?

Ein Schwarm heller Köpfe

Nachdem wir das Programm zusammengestellt hatten, staunten wir erst einmal. Die etwa 130 Plätze waren schon nach einem Tag fast ausverkauft. Erstaunlich auch, wie schnell wir Unterstützung fanden, syndicom, RASK, Tibits, L�Ultimo Bacio, Zürich Tourismus, Walcheturm, Helsinki, Volkshaus. Am Forum hetzten die Leute dann von Anlass zu Anlass. Selten so viele helle Gesichter gesehen, nicht nur in den Sälen, wo die Werkstätten stattfanden. Sondern vor allem im Foyer, wo wir taten, was Journalisten vielleicht noch besser können als schreiben: schwatzen. Ein Gefühl der Verbundenheit: so viele charmante HochstaplerInnen in einem Saal. Es war auch schön zu sehen, wie viele ihre Ideen noch immer am liebsten in eine kunstvoll ausgestossene Rauchwolke hineinformulieren, draussen vor der Tür. Lauter bemannte Lederjacken. Da und dort schaute gar ein zerlesenes Buch aus der Jackentasche hervor. Alles beim Alten.

Ein Tag ohne Ellbogen

Was mir am besten gefiel, bei der Vorbereitung, aber auch am Anlass selbst, war ein Gefühl. Ich traf niemanden, der nicht offen über seine Arbeit gesprochen hätte. Auch über die teils prekären, teils unhaltbaren Arbeitsbedingungen in Verlagen, die ihr Geld lieber in Architektur als in Wörter stecken. Lieber eine Cafeteria eröffnen, als Expeditionsteams in die Wirklichkeit zu schicken. Lieber Teile des Konzerns schliessen, als Investitionsruinen aufzugeben, in die sich der Chef verliebt hat. Es war ein schöner Tag, keine Ellbogen, keine Konkurrenz, und eine Suppe gab es auch. Ich war mir nicht sicher, ob wir uns etwas vormachten, einfach mal wieder mit aller Kraft an etwas glauben wollten.

Die Hoffnung bleibt ...

Könnte ja sein, dass es am Forum um mehr ging, als ein paar Visitenkarten auszutauschen. Vielleicht um nachzudenken, was wir als Nächstes tun werden. Einen eigenen Verlag, eine eigenen Zeitschrift, eine radikale Idee? Von diesem Tag bleibt mir ein sanfter Kater. Aber auch eine zarte Hoffnung.

Alle Fotos von der Veranstaltung und die Vorträge als Podcast auf reporter-forum.ch.

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