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Rund ums Buch fehlt Solidarität

Das Verleihrecht, Teil des geplanten neuen Urheberrechts, ist eine heftig umstrittene Sache. Obwohl es in 23 europäischen Ländern schon selbstverständlich ist, AutorInnen für das Verleihen ihrer Werke zu entschädigen, wehren sich in der Schweiz vor allem die Bibliotheken mit Händen und Füssen. Sie haben Angst vor mörderischen Mehrkosten.

 

Das SRF-Nachrichtenmagazin «10 vor 10» vom 7. Juli spricht von einer «Verleihsteuer», von Schreiberlingen, die auf mehr Geld hoffen, und von Bibliotheken, die um ihre Existenz bangen. In der «Nordwestschweiz» vom 21. Juni beklagen sich Bibliotheksleute, dass sie im Fall der Einführung des Verleihrechts mit Mehrkosten von bis zu 17 Millionen Franken zu rechnen hätten, und warnen davor, künftig kein Geld mehr in Ankäufe und Lesungen investieren zu können.

Doch worum geht es überhaupt? Im Entwurf eines neuen Urheberrechts, der 2012 von Bundesrätin Simonetta Sommaruga in Auftrag gegeben wurde, ist das Verleihrecht enthalten. Es sieht vor, dass für das Verleihen, Vermieten und Zur-Verfügung-Stellen von Werkexemplaren der Literatur und Kunst die UrheberInnen vergütet werden müssen.

In den meisten europäischen Ländern wird das Verleihrecht schon längst angewendet, und in diesem Sinne wäre die Einführung auch eine Anpassung an internationale Standards. Doch das Vorhaben löst Widerstand aus. Sogar der Gewerkschaftsbund hat sich in seiner Stellungnahme zur Vernehmlassung gegen das Verleihrecht ausgesprochen, dabei handelt es sich ja eigentlich um eine Einkommensfrage – ein zentrales Thema der Gewerkschaften. Und die Diskussion wird oft unsachlich und mit falschen Informationen geführt.

Das Geld: höchstens 5 Millionen Franken

Bund, Kantone und Gemeinden investieren pro Jahr 35 Milliarden Franken in die Bildung. Gemäss der Bibliotheksstatistik des Bundes unterstützt die öffentliche Hand die Bibliotheken mit einer halben Milliarde Franken. Und erste Hochrechnungen gehen davon aus, dass im Fall der Einführung des Verleihrechts lediglich von einem Betrag zwischen zwei bis fünf Millionen Franken ausgegangen werden muss. Die Entschädigung pro Werk würde in jedem Fall weniger als zehn Rappen betragen. Das ist angesichts des Gesamtbudgets eine verschwindend kleine Summe. Der definitive Betrag müsste jedoch im Rahmen von Tarifverhandlungen unter der Aufsicht der Eidg. Schiedskommission für Urheberrecht zwischen den zuständigen Verwertungsgesellschaften und dem Verband der Schweizer Bibliotheken ausgehandelt werden.

Da kann also von unangemessen in die Höhe schiessenden Kosten nicht die Rede sein. Und es handelt sich nicht, wie oft geäussert, um eine Steuer, sondern um eine Vergütung für ein vollbrachtes Werk und um den Schutz einer kreativen Leistung.

Die Gerechtigkeit: Auch Autorinnen entschädigen

Die Gesellschaft leistet sich innerhalb des öffentlichen Bildungsauftrags Bibliotheken, damit Menschen aller Einkommensschichten unentgeltlich zur Literatur oder anderen Werken Zugang haben. Das ist eine gesellschaftliche Errungenschaft, die unter allen Umständen geschützt werden muss. Davon profitieren auch die Bibliotheken.

Die AutorInnen, die die Werke kreiert haben, gehen jedoch leer aus. Sie werden für die massenhafte Verbreitung ihrer Werke nicht entschädigt. Für Peter Stamms Neuerscheinung «Weit über das Land» beispielsweise gab es in gewissen Bibliotheken lange Wartelisten. Das wirft die Frage auf: Wie viele Bücher wurden also nicht verkauft?

Solidarität? Die Branche bekämpft sich untereinander

Es ist schwer nachzuvollziehen, warum sich unterschiedliche VertreterInnen einer Branche, die es grundsätzlich schwer hat, nicht zusammentun. Es zeigt sich auch hier, dass wir in einer Zeit der Entsolidarisierung leben. Aus Sicht der Bibliotheken lassen sich ihre durchaus berechtigten Interessen nur wahren, wenn die AutorInnen auf ihre Entschädigung verzichten. Der eine überlebt, wenn er den anderen drückt.

Das Ganze anders denken!

Warum das Ganze nicht anders denken? Man könnte gemeinsam für faire Tarifverhandlungen kämpfen. Um sich daraufhin gemeinsam für bessere Bedingungen für die Bibliotheken einzusetzen, sich gegen den Spardruck zu wehren. Und weil das kostenlose Ausleihen von Medien Teil des öffentlichen Bildungsauftrags ist, wäre es denkbar, dass die öffentliche Hand die Kosten für das Verleihrecht übernimmt. So würden die Bibliotheken finanziert und die AutorInnen für das Verleihen ihrer Werke entschädigt – eine in Österreich und Deutschland gängige Praxis. Um das zu erreichen, müssten allerdings alle Beteiligten zusammenarbeiten!

* Johanna Lier ist Autorin und Präsidentin von Suisseculture, sie hatte Einsitz in der Arbeitsgruppe zur Urheberrechts-Revision 2012

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