Artikel

Service public: Die Initiative bedroht auch den Regionalverkehr

Ob nun das Verbot der Quersubventionierung oder das Gewinnverbot für den öffentlichen Verkehr zum Tragen kommt: Quersubventionierung auf der Basis der Gewinne rentabler Unternehmensteile ist gerade bei den Bahnen lebenswichtig. Gut ausgelastete Intercity-Züge auf der Achse St. Gallen–Zürich–Bern–Lausanne–Genf bringen das Geld, das die SBB braucht, um auch nachts um 23 Uhr noch mit einem Regionalzug in die äussersten Zipfel des Landes zu fahren. Peter Moor, Leiter Kommunikation SEV

 

Auch wenn sich die Direktoren der Schweizer Bahnen selbst gerne als Unternehmer sehen, sind sie es nicht. Oder mit den Worten von Peter Füglistaler, Direktor des Bundesamts für Verkehr: Sie seien keine Unternehmer, sondern sie würden lediglich mit Steuergeldern «Unternehmerlis spielen». Allerdings lassen sich einige von ihnen dafür unverschämt hoch bezahlen, was durchaus ein Grund sein könnte, der Service-public-Initiative zustimmen zu wollen.

Nur: Weder der Ärger über die Cheflöhne, noch jener über verpasste Anschlüsse oder geschlossene Bahnhöfe reichen aus, um die wirklich schweren Auswirkungen eines Ja in Kauf zu nehmen.

Einschnitte beim Fahrplan

Wenn nun aus dem Fernverkehr keine Gewinne mehr fliessen, werden die Verluste im Regionalverkehr massiv höher. Die ­Folge: Um die gleichen Leistungen weiter zu erbringen, müsste der Bund deutlich mehr Geld einschiessen. Das will er allerdings nicht, im Gegenteil: Beim regio­nalen Personenverkehr hat er bereits angekündigt, dass er seinen Anteil reduzieren will, und es ist abzusehen, dass damit Einschnitte beim Fahrplan folgen werden. SEV-Präsident Giorgio Tuti warnt: «Ohne Quersubventionierung sind beträchtliche Teile des Regionalverkehrs gefährdet; der öffentliche Druck auf die Anstellungsbedingungen wäre gross.»

Aufspaltung der SBB

Ohne Quersubventionierung aus Gewinnen wäre eine Aufspaltung der SBB eine Frage der Zeit, und die Idee aus Wirtschaftskreisen, den Fernverkehr (und die Immobilien!) privat und gewinnbringend zu betreiben, hätte Aufwind. Die Folge fürs Personal wäre genau dieselbe: Die Sicherung der Arbeitsbedingungen durch den heutigen, guten, über Jahre erkämpften und verteidigten Gesamtarbeitsvertrag ginge verloren, der Druck auf Anstellung und Löhne wäre gross. Die Umsetzung der Initiative würde also erst dazu führen, dass mit der Bahn echte Gewinne gemacht werden könnten. Denn der ausgewiesene Gewinn der SBB (für 2015 246 Mio. Franken) ist ein reiner Scheingewinn.

Scheingewinn und Schulden

Die Erträge, die dies ermöglichen, kommen zum grossen Teil direkt aus der Staats- und der Bundeskasse. Die Abgeltungen für den regionalen Personenverkehr und die Infrastruktur machen ihn erst möglich.

Es kommt hinzu, dass die Gewinne bei weitem nicht ausreichen, um die Investitionen zu finanzieren. Ganz besonders bei der SBB: Deren Schulden sind letztes Jahr erneut um eine halbe Milliarde gestiegen; sie liegen mit 8,2 Milliarden Franken so hoch, dass sogar der Bundesrat in seinem Bericht über die staatsnahen Unternehmen diesen Zustand kritisiert.

Niemand will zurück in Zeiten, die nur alt, aber keineswegs gut waren: Ende des letzten Jahrhunderts schrieb die SBB Defizite von mehreren hundert Millionen Franken, die regelmässig vom Bund ausgeglichen werden mussten. Dies führte dazu, dass in Parlament und Wirtschaftskreisen die Idee einer vollständigen Privatisierung aufkam.

Die Initiative spielt den Privatisierern in die Hände

Mit einer Rosskur in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre wurde die SBB auf ein solides Fundament gestellt, das es erlaubte, die integrierte Bahn weiterzuführen. Der Preis war hoch: Über 10 000 Stellen wurden abgebaut, der Güterverkehr ausgedünnt und die Automatisierung der Bahnhöfe vorangetrieben – mit der Folge, dass Schalter geschlossen wurden, Geisterbahnhöfe entstanden und die Servicequalität abnahm. Dies war der Nährboden für die Initiative, über die nun abgestimmt wird. Es wäre aber ein Irrglaube, ein Ja würde Vertrautes zurückbringen; im Gegenteil: eingeläutet würde der nächste Radikalschnitt beim öffentlichen Verkehr.

Informiert bleiben

Persönlich, rasch und direkt

Du willst wissen, wofür wir uns engagieren? Nimm Kontakt zu uns auf! Bei persönlichen Anliegen helfen dir unsere Regionalsektretär:innen gern weiter.

syndicom in deiner Nähe

In den Regionalsekretariaten findest du kompetente Beratung & Unterstützung

Jetzt Mitglied werden