Artikel

Sie fallen ohne Fallschirm

Schlechte Neuigkeiten aus dem Reich der Pensionskassen: Die vermeintlich harmlosen Informationen zu den Umwandlungssätzen entpuppen sich als massive Rentenkürzung. Die grossen Verlagshäuser Tamedia und Ringier preschen als Extrembeispiele vor – mit Senkungen um 30 Prozent innerhalb weniger Jahre. 

 

Anfang dieses Jahres hat eine Recherche des gewerkschaftlichen Netzwerks der 2. Säule (PK-Netz) aufgedeckt, dass die Umwandlungssätze bei einer Mehrzahl der Pensionskassen Richtung 5 Prozent sinken. Und dieser Umwandlungssatz bestimmt, wie viel Rente jemand aus dem angesparten Alterskapital erhält.

Die Renten sind unter Druck, weil die Zinsen seit langem historisch einmalig tief sind. Dahinter steckt jedoch auch ein übertriebenes Sicherheitsdenken der PK-Experten: Weil eine einmal gesprochene Rente nicht angepasst werden kann, ist der für das Kapital hinterlegte Zinssatz für rund 20 Jahre fixiert. Im Tiefzinsumfeld ist es dann schwierig, die richtige Höhe zu definieren. Doch statt einen Mittelweg zu wählen, wird immer öfter das «Worst-Case-Szenario» angewandt.

Extrembeispiele Tamedia, Ringier

Zwei der extremsten Beispiele sind die Pensionskassen von Tamedia und Ringier, der auch die Angestellten der Axel Springer Media Schweiz angeschlossen sind. Betrug der Umwandlungssatz bei Tamedia 2012 noch 6,45 Prozent, wird dieser bis 2020 schrittweise auf 4,6% sinken. Dies entspricht einer Senkung von knapp 29% innert acht Jahren. Für ein mittleres Altersguthaben von 500 000 Franken bedeutet dies eine tiefere Rente von rund 750 Franken pro Monat. Bei Ringier ist die Entwicklung vergleichbar: Der Umwandlungssatz sinkt von 6,8% im Jahr 2012 auf 4,9% im Jahr 2020. Dies entspricht einer Rentenreduktion von 28% für denselben Zeitraum wie bei Tamedia. Bei der Pensionskasse der AZ Medien konnte zwar die Rentenalter-Erhöhung auf 66 Jahre abgewehrt werden, aber auch hier sinkt der Umwandlungssatz auf 5,5%.

Die im Parlament beschlossene Reform der Altersvorsorge sieht eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes für den Teil des gesetzlichen Obligatoriums vor – von 6,8% auf 6%. Viele fragen sich zu Recht, warum die meisten Pensionskassen bereits jetzt die Umwandlungsätze unter 6% oder neuerdings sogar unter 5% senken können? (Siehe auch «Recht so!», Seite 15.)

Überobligatorium: Schwachstelle im System

Der Grund dafür ist die Tatsache, dass die Mehrheit der Angestellten mehr in die Pensionskassen einzahlt, als dies das Gesetz vorschreibt. Das führt dazu, dass rund 85% aller Versicherten ein Alterskapital mit einem überobligatorischen Teil haben. Dort greift der gesetzliche Mindestumwandlungssatz nicht.

Zusammen mit dem obligatorischen Teil darf die Rente allerdings nicht tiefer sein, als wenn die versicherte Person immer das gesetzliche Minimum einbezahlt hätte. Um dies sicherzustellen, führen alle Pensionskassen eine sogenannte «Schattenrechnung», in der sie den obligatorischen Teil des Altersguthabens ermitteln.

In den «umhüllenden» Pensionskassen, welche bessere Leistungen als das gesetzliche Minimum versichern, ist der Stiftungsrat massgeblich für die Festlegung der Rentenhöhe verantwortlich.

Die Praxis zeigt klar, dass Pensionskassen ohne starke gewerkschaftliche Stimme im Stiftungsrat erheblich schlechtere Renten für die Angestellten zahlen.

Gewerkschaftsvertretung im Stiftungsrat wirkt!

Immer öfter lassen sich auch nicht gewerkschaftlich organisierte oder kadernahe Angestellte in den Stiftungsrat wählen, die sich entweder den Interessen der Arbeitgeber näher fühlen als denen der Belegschaft oder die – ohne eine starke Gewerkschaft im Rücken – alleine einen schwachen Stand gegen die ArbeitgebervertreterInnen im Stiftungsrat haben. Eine starke gewerkschaftliche Vertretung im Stiftungsrat macht sich also bezahlt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Pensionskasse der Swisscom, wo die VertreterInnen von syndicom im Stiftungsrat die Senkungen für die ganze Belegschaft stark abzufedern wussten.

Unnötiger Egoismus

Mit dem Vorwurf der sogenannten Umverteilung von den Jungen zu den Rentnern wird versucht, jegliche Solidaritäten aus dem System zu nehmen. Dabei geht vergessen, dass jeder Einzelne von diesen Solidaritäten profitiert.

Der lange Anlagehorizont würde es erlauben, das Finanzmarkt­risiko zu glätten. Da der Sparprozess in der 2. Säule auf vier Jahrzehnte angelegt ist, sind mehrere schlechte und gute Phasen vorprogrammiert. Es ist nicht «systemfremd», wenn für begrenzte Zeiträume die aktiven Arbeitnehmenden die Rentner zum Teil mitfinanzieren. Denn die Ausgangslage kann sich, wie es in den 90er-Jahren der Fall war, auch umdrehen.

* Urban Hodel ist Geschäftsführer des PK-Netzes, der BVG-Plattform der Arbeitnehmenden

Informiert bleiben

Persönlich, rasch und direkt

Du willst wissen, wofür wir uns engagieren? Nimm Kontakt zu uns auf! Bei persönlichen Anliegen helfen dir unsere Regionalsektretär:innen gern weiter.

syndicom in deiner Nähe

In den Regionalsekretariaten findest du kompetente Beratung & Unterstützung

Jetzt Mitglied werden