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Sozialplanpflicht 2014 - aber nur für die ganz Grossen

Multinationale, Hedge-Fonds-kontrollierte Unternehmen haben ihre Massenentlassungen bis anhin bevorzugt in der Schweiz durchgeführt. Die hiesigen Gesetze waren zahnlos, die Rechtsprechung lax. Das wird sich nun ändern.

 

Im Rahmen des revidierten sogenannten «Sanierungsrechts» wird per 1.1.2014 neu eine Sozialplanpflicht eingeführt. Zu verdanken ist das dem gemeinsamen und vor allem im Nationalrat hart ausgetragenen Kampf von Gewerkschaften, SP und Grünen. Mit dem revidierten Recht wird die Schuldensanierung von Unternehmen in Schwierigkeiten erleichtert. Solche Unternehmen erhalten neu eine Sistierung der Betreibung, ohne dass sie zwingend in ein Konkursverfahren hineinschlittern oder einen Nachlassvertrag abschliessen müssen. Während maximal vier Monaten können sie konkrete Sanierungsmassnahmen organisieren, zum Beispiel die Neuverhandlung von Mietverträgen oder den Verkauf von Unternehmensteilen. Solche Vertragsänderungen im Sanierungsverfahren werden juristisch einfacher.

Sozialplanpflicht, aber nicht für alle
Bei der Übernahme von Arbeitsverträgen, zum Beispiel wenn Betriebsteile verkauft werden, muss der neue Eigentümer jetzt nicht mehr alle Arbeitsverträge beziehungsweise die Schulden daraus solidarisch übernehmen. Dies ändert allerdings faktisch - angesichts der unternehmerfreundlichen Rechtsprechung der Gerichte und des Schweizer Kündigungsrechts - nicht viel. Im Gegenzug wurde eine wichtige Konzession gegenüber den Arbeitenden gemacht: die Einführung einer Sozialplanpflicht bei Massenentlassungen, also das Obligatorium, einen Sozialplan gemeinsam auszuhandeln und in Kraft zu setzen.

Jedoch nicht alle Unternehmen fallen unter die Sozialplanpflicht bei Massenentlassungen. Nur die Unternehmen müssen einen Sozialplan aushandeln, die über 250 MitarbeiterInnen beschäftigen und mindestens 30 von ihnen entlassen wollen. Im Streitfall muss ein Schiedsgericht einen Plan aufstellen. Diese Beschränkung auf die ganz Grossen ist klar eine verpasste Chance.

Sozialplan-101
Sozialpläne mildern die negativen Folgen einer Kündigung für die Betroffenen, durch interne Stellenvermittlung, durch «Outplacement» (also Finanzierung von externen Schulungen, Kursen, Weiterbildungen) oder frühzeitige Pensionierung. Was der Sozialplan enthält, ist von den Beteiligten zu verhandeln, bei einem bestehenden GAV sind das die Sozialpartner, andernfalls etwa die Personalkommission. Nicht nur besteht die Pflicht, über einen Sozialplan zu verhandeln, es besteht auch die Pflicht, den Sozialplan abzuschliessen. Verweigert ein Unternehmen die Verhandlung, gelten alle Entlassungen als missbräuchlich, und dies zieht eine Genugtuung gemäss Artikel 336a Obligationenrecht nach sich: Den missbräuchlich gekündigten Arbeitenden sind bis zu sechs Monatslöhne zu bezahlen. Gegebenenfalls macht sich das Unternehmen strafbar wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen. Zu betonen ist: Ein Sozialplan gilt erst dann als erstellt, wenn alle Beteiligten einverstanden sind! Sollte dies nicht der Fall sein, weil zum Beispiel die Gewerkschaft die Massnahmen der Firma als zu schwach taxiert, muss ein Schiedsgericht entscheiden und einen verbindlichen Sozialplan festlegen.

Schiedsgericht
Wer als Schiedsgericht berufen werden kann, liegt in der Entscheidung der Beteiligten und kann etwa im GAV festgelegt sein. Man kann sich auch ad hoc entscheiden: für eine kantonale oder eidgenössische Schlichtungsstelle oder zum Beispiel für ein privates Schiedsgericht. Die Kosten müssen von dem getragen werden, der sie sich leisten kann. Dies dürfte regelmässig der Unternehmer sein, insbesondere, wenn bei fehlenden Sozialpartnern die Personalkommission in ein privates Ad-hoc-Verfahren einwilligt.

Neu nachhaltige Sanierungen möglich
Die Reform bringt Vorteile. Es steht zu erwarten, dass durch die Sozialplanpflicht und die daraus folgende Verhandlung mit Sozialpartnern und Arbeitenden kreative, nachhaltige Sanierungslösungen gefunden werden. Ein Kahlschlag beim Personal zugunsten der wenigen Aktionäre: das wird künftig kaum mehr möglich sein. Neu kann vielmehr das Know-how aller Beteiligten in die Rettung von Betrieben einfliessen. Es profitieren die Arbeitenden, die Standortgemeinden und die nachhaltig orientierten Unternehmer. Die Heuschrecken müssen weiterziehen…


Luca Cirigliano, SGB

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