Stereotype auf allen Kanälen
Gleichstellung? Von wegen. Frauen sind in den Medien weiterhin untervertreten. Es sei denn, es ginge um Promis oder ihre Elternrolle, sagt ein neuer Bericht des Global Media Monitoring Project.
Natürlich halten wir Schweizerinnen und Schweizer uns für moderne Menschen. Gerne behaupten wir auch, unsere Gesellschaft sei viel fortschrittlicher als andere. Schliesslich haben wir die direkte Demokratie, eine freie Presse.
In Wahrheit ist die Schweiz so konservativ wie kaum ein europäisches Land: denken wir an das Frauenstimmrecht, die unglaublich späte Einführung einer minimalen Mutterschaftsversicherung, die Versuche, Abtreibungen wieder zu verbieten, das Scheitern des Vaterschaftsurlaubs. Schweizer – und auch Schweizerinnen – mögen es traditionell. Und die Medien spielen dabei die wichtigste Rolle. Aktuell: die Kritik an SRF-Moderatorin Steffi Buchli, die vier Monate nach der Geburt ihres Kindes wieder arbeiten will.
UNO-Kritik an der Schweiz
So sieht das auch der UNO-Ausschuss zur Beseitigung von Diskriminierungen (UNO-CEWAS). In der Schweiz sei die Partizipation der Frauen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens gering, die Medien verbreiteten Geschlechterstereotype. Dies trage dazu bei, die gesellschaftliche Rolle der Frauen zu verkennen und ihnen den Zugang zu leitenden Stellungen und namentlich zur Politik zu erschweren.
97% altmodisch
Diese Erkenntnis stammt von 2009, doch daran hat sich nicht viel geändert. Das zeigen die neueste Studie von Global Media Monitoring (GMM) und der Zusatzbericht der Schweizerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten. Ein Beispiel: In gerade mal 3 Prozent der untersuchten Nachrichten in Print, Online, Radio und TV werden Rollenbilder atypisch dargestellt, das Thema Gleichstellung wird in 6 Prozent der Berichte thematisiert.
GMM analysiert alle fünf Jahre tagesaktuelle Nachrichten aus der Geschlechterperspektive. Die Forscherinnen und Forscher nehmen weltweit den gleichen Stichtag. Dieses Mal war es der 25. März 2015. In der Schweiz untersuchten sie 514 Meldungen aus Tageszeitungen, TV- und Radiosendungen, auf News-Webseiten und Twitterkanälen.
Die Ergebnisse: Insgesamt sind nur 24 Prozent der 1051 erwähnten Personen Frauen. Zwei Prozent mehr als vor fünf Jahren. Diese Steigerung hat vor allem damit zu tun, dass erstmals auch Internetmedien ausgewertet wurden. Dort sind die Frauen besser vertreten als im Durchschnitt: Auf Webseiten mit 30 Prozent, auf Twitter mit 48 Prozent.
Romandie machts besser
Ausserdem berichtet die Westschweiz mit einer Nennung von 30 Prozent Frauen ausgeglichener als die Deutschschweiz (20%) und das Tessin (18%).
In Wirtschaft und Politik, als Expertinnen oder Kommentatorinnen werden Frauen unterdurchschnittlich erwähnt oder zitiert. Überdurchschnittlich ist der Frauenanteil unter Promis, im Sport, in der Elternrolle und bei Umfragen. Nichterwerbstätige werden häufig durch Frauen dargestellt – obwohl unsere Frauenerwerbstätigkeit weltweit überdurchschnittlich hoch ist.
Der Anteil Journalistinnen betrug 30 Prozent (–5%). Dies erklärt die sinkende Erwähnung von Frauen als Handelnden allerdings nicht: Journalistinnen erwähnen Frauen nicht häufiger als Journalisten, der Unterschied beträgt gerade 1 Prozent.
Der Bericht des Global Media Monitoring Project und der Zusatzbericht sind veröffentlicht auf: www.WhoMakesTheNews.org
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