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Tamedia im Abbau-Rausch

Kaum eine Woche vergeht ohne Hiobsbotschaft aus dem Haus Tamedia. Das grösste Schweizer Druck- und Medienunternehmen, das für 2012 einen Gewinn von 152 Millionen Franken ausweisen konnte, setzt seinen 34-Millionen-Sparplan weiterhin rücksichtslos um. Das bedeutet nichts anderes als Auslagerung, Entlassungen und Abbau, Abbau, Abbau. Und dies in vielen kleinen Tranchen, um möglichst wenig Staub aufzuwirbeln. So schlug der Abbauhammer seit Jahresbeginn in mehreren Unternehmensteilen in der Romandie und bei den Redaktionen des Winterthurer «Landboten» und der Zürcher Regionalzeitungen zu.

Abbau: «Landbote»

Nach dem Aufkauf des «Landboten» und der dann angekündigten «Zusammenarbeit» mit «Zürichsee-Zeitung», «Zürcher Unterländer» und «Berner Zeitung» vermeldete Tamedia am 22. Januar eine Neuorganisation von Redaktion und Verlag – und erwähnte dabei beiläufig den vorgesehenen Abbau von 25 Vollzeitstellen in Bülach, Stäfa und Winterthur. Es ist zu befürchten, dass Tamedia die gesetzlichen Mitwirkungsrechte des Personals erneut als Alibiübung betrachtet. Die syndicom-Regionalsekretärin Sara Vogt ist mit den betroffenen Redaktionen in Kontakt. Bei Redaktionsschluss dieser Zeitung steht aber die Antwort auf die konstruktiven Vorschläge der Redaktionen zum Erhalt der Arbeitsplätze noch aus.

Die rund 80 Mitarbeitenden des «Landboten» haben der Unternehmensleitung geschrieben, es sei weder menschlich gerechtfertigt noch vertrauensbildend, «handstreichartig» die leitenden Personen ihrer Ämter zu entheben. Damit nehmen sie Bezug auf den Abgang der langjährigen Chefredaktorin Colette Gradwohl, die durch Benjamin Geiger, bisher und weiterhin Chefredaktor der Zürcher Regionalzeitungen, ersetzt wird. Sie kritisieren auch den «Stellenabbau auf Vorrat» und betonen ihre publizistische Unabhängigkeit: «Es gehört zu unserer Redaktionskultur, dass Mitbestimmung und kein Diktat herrscht.»

Abbau: Druckvorstufe nicht mehr unter dem GAV

Bereits läuft die im Oktober angekündigte Auslagerung der Inserateproduktion nach Deutschland, mit der bei Tamedia Publications romande in Lausanne zwanzig Stellen abgebaut werden. Die verbliebenen Angestellten der Druckvorstufe bekommen nun erneut die Sparmassnahmen von Tamedia zu spüren. Rund dreissig Personen sollen die Verträge geändert bekommen, sodass sie neu den Redaktionen angegliedert werden und nicht mehr unter dem Schutz des Gesamtarbeitsvertrags für die grafische Industrie stehen würden. Der Presse-GAV der Romandie gilt für sie aber auch nicht, da sich dieser nicht auf das technische Personal erstreckt.

Mit dem neuen Status steigt die Arbeitszeit für diesen Personenkreis im Abenddienst von 35 auf 40 Stunden – und das ohne jede Lohnerhöhung. Einigen wurden gleichzeitig Stellenprozente gestrichen. Ihr Lohnverlust fällt dadurch mehr als doppelt so hoch aus, als es der reinen Verringerung der Prozente entspräche. Unerhört ist dabei, dass Tamedia weder die Personalkommission noch die Gewerkschaft informierte, obwohl das Unternehmen einem GAV untersteht. Die Personalkommission und syndicom haben bei Tamedia interveniert und Verhandlungen verlangt. Das Ziel ist die Beibehaltung der Unterstellung unter den GAV der grafischen Industrie. In einer ersten Antwort sieht Tamedia jedoch noch keine Notwendigkeit für Gespräche.

Abbau: Auslagerung der Logistik

Tamedia hat in der Westschweiz eine Partnerschaft mit Naville über die Distribution in Genf und Umgebung abgeschlossen. Naville übernimmt die Auslieferung der Titel von Tamedia Publications romandes ab dem 1. Mai. Mit der Zusammenarbeit werden elf Mitarbeiter entlassen. Naville prüfe, ob die Angestellten übernommen werden könnten. Für die Betroffenen hat Tamedia nach eigenen Angaben einen Sozialplan ausgearbeitet. Verhandlungen mit PeKos und Gewerkschaft soll es ebenso wenig wie in Zürich geben. Ebenfalls vom Umbau betroffen sind fünf Lastwagenchauffeure, da der Bereich Lastwagen an Morand Services et Transports in Ecublens ausgelagert wird. Den Chauffeuren, die in Bussigny stationiert sind, werde von Morand eine Stelle angeboten oder sie würden frühpensioniert.

Trotz Abbau: Viel Unter­stützung für «Le Temps»

Erinnern wir uns: Die Medienhäuser Tamedia und Ringier, welche je 46,2 Prozent an «Le Temps» halten, haben die Genfer Zeitung am 8. Oktober zum Verkauf ausgeschrieben. Ob mit echten Absichten oder nur damit die allfällige Vollübernahme durch Tamedia bei der Wettbewerbskommission dereinst schlanker durchgeht, bleibe dahingestellt. Der «Freundeskreis der ‹Le Temps›» (Cercle des Amis du «Temps») hat einen Aufruf für den Erhalt der Zeitung lanciert und grosses Echo darauf erhalten. Mehr als 300 Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Wirtschaft setzen sich für den Fortbestand der Genfer Tageszeitung ein, darunter Alt-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey und Alt-Bundesrat Pascal Couchepin. (red)

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