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Unter dem Vorwand der Gleichstellung sollen Frauen länger arbeiten

Der Bundesrat pusht ein höheres Rentenalter für Frauen. «65 für alle» lautet seine Forderung, mit der er schon zweimal gescheitert ist.

 

Für den Schweizerischen Gewerkschaftsbund und für seine Verbände ist klar: Die Erhöhung des Rentenalters für Frauen geht nicht. Unter dem Deckmantel der Gleichstellung soll die AHV auf dem Rücken der Frauen saniert werden. Dabei kann von Gleichstellung nicht die Rede sein. Viel eher handelt es sich um eine simple Sparübung, die den Realitäten auf dem Arbeitsmarkt keinerlei Rechnung trägt.

Denn wo sind sie, die Arbeitgeber, die bereit sind, den Frauen die gleichen Löhne wie den Männern zu bezahlen? Die bereit sind, ältere Frauen einzustellen und bis zur Pensionierung zu beschäftigen? Denn das hiesse Gleichstellung. Und diese Gleichstellung brauchen wir sofort.

Gegen die ökonomische Zwangslage

3,3 Milliarden soll diese Sparübung dem Bund alleine in der Übergangszeit bringen. Weitaus mehr hätte nicht nur der Bundesrat, sondern die ganze Gesellschaft davon, wenn Frauen endlich die gleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten und sie auf den gleichen Löhnen AHV-Beiträge zahlen könnten.

22 Prozent der Frauen im erwerbsfähigen Alter arbeiten zurzeit gar nicht, fast 60 Prozent der Frauen, die arbeiten gehen, arbeiten Teilzeit, und dies nicht selten mit niedrigen Pensen. Diese Situation ist nicht immer gewollt. Teils fehlen schlicht und einfach die notwendigen Betreuungsstrukturen, die es für die Vereinbarung von Arbeit und Familie braucht. Teils werden Paare in veraltete Familienmodelle gedrängt, weil die Möglichkeiten für den Partner fehlen, seine Beschäftigung zu reduzieren, und so die Haus- und Familienarbeit an den Frauen und Müttern hängen bleibt. Auch die Aussicht, trotz gleicher Arbeit weniger zu verdienen und geringere Aufstiegsmöglichkeiten zu haben, entmutigt und frustriert die Frauen, die arbeiten wollen.

Die unbemerkte Gratisarbeit

Die Folgen dieser familien- und frauenfeindlichen Arbeitgeberpolitik zeigen sich auch in der Erwerbsquote der älteren

 

Arbeitnehmerinnen. Tatsächlich verlassen über 60 Prozent aller Frauen den Arbeitsmarkt vor 64, also bevor sie das ordentliche Rentenalter erreicht haben. Auch hier spielen familiäre Verpflichtungen wiederum eine Rolle. Viele Frauen um die 60 betreuen ihre Enkelkinder und leisten somit einen wesentlichen Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf der jüngeren Generation. Andere pflegen ihre kranken Eltern, Schwiegereltern oder den eigenen Partner. Die Heraufsetzung des Frauenrentenalters verkennt die soziale Realität dieser Frauen. Verkennt, dass diese Frauen sehr wohl arbeiten und einen Beitrag zum gesamtgesellschaftlichen Wohlstand leisten, auch wenn sie dies nicht immer bezahlt tun.

einseitig und ungerecht

Als Folge der reduzierten Erwerbstätigkeit, der längeren Erwerbsunterbrüche und der tieferen Löhne haben Frauen heute deutlich tiefere Altersrenten als Männer. Nicht in der AHV, in der dank Einkommenssplitting, Erziehungs- und Betreuungsgutschriften auch der unbezahlten Arbeit Zoll geleistet wird.

Aber in der beruflichen Vorsorge, in der die Renten jener Frauen, welche überhaupt eine Pensionskassen-Rente ausbezahlt bekommen, deutlich tiefer ausfallen als jene der Männer. Trotzdem sollen die Frauen nun ein Jahr länger ein-­
zahlen und die Leistungen ein Jahr weniger lang beziehen. Als Sanierungsmassnahme für die AHV ist die Erhöhung des Rentenalters einseitig und ungerecht. Diese Rentenverschlechterung bei den Frauen kann mit gutem Gewissen abgelehnt werden. Vielmehr muss das Renten­einkommen der Frauen durch den Ausbau der AHV verbessert werden.

 

Doris Bianchi, Zentralsekretärin Sozialversicherungen beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB)

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