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Verletzt die Post den GAV?

Im April kam bei der Post AG zum ersten Mal das angepasste Lohnsystem zur Anwendung. syndicom hat dazu eine Umfrage unter den Post-Angestellten gestartet, deren Auswertung jetzt vorliegt. Das Fazit ist sehr durchzogen: Viele Beschäftigte sind unzufrieden, wurden von den Vorgesetzten schlecht informiert oder fühlen sich ungerecht behandelt. 

Die unbefriedigenden Resultate der Mitglieder-Umfrage zeigen einen dringenden Handlungsbedarf in der Informationspolitik und der Umsetzung des Lohnsystems durch die Post. Das ist aber noch nicht alles: Aufgrund diverser Rückmeldungen stellt sich syndicom sogar die Frage, ob die Post allenfalls den GAV verletzt. Dafür gibt es erste Anzeichen, denen wir nachgehen.

Ungenügende Information

Die Vereinbarung, die syndicom mit der Post getroffen hat, war klar: Wir stimmen individuellen Lohnerhöhungen zu, wenn das angepasste Lohnsystem transparent und fair angewendet wird und wenn die Vorgesetzten ihre Angestellten aktiv und umfassend informieren. Doch die Umfrage, an der über 550 Postangestellte teilnahmen, stellt die Umsetzung dieser Abmachung in Frage. Nur gerade die Hälfte der Befragten findet, dass sie ausreichend informiert worden sind. Hier stehen die Vorgesetzten in der Pflicht.

Nicht nachvollziehbare Berechnungskriterien

Im GAV sind drei Kriterien definiert, nach denen die individuellen Lohnmassnahmen berechnet werden: die persönliche Leistung, die Personalbeurteilung und die Lage im Lohnband. Nur gerade 39 Prozent sind der Meinung, dass diese drei Berechnungskriterien nachvollziehbar angewendet wurden.

Ein Umfrageteilnehmer schreibt zum Beispiel: «Persönliche Leistung und Personalbeurteilung spielen leider keine Rolle mehr, wenn man im Lohnband nicht gerade im Minimum oder darunter ist.» Rückmeldungen in dieser Art sind zahlreich und nähren den Verdacht, dass die Lohnmassnahmen nicht (nur) für individuelle Erhöhungen, sondern für die sogenannte Lohnhygiene eingesetzt werden. Dabei geht es nicht um eigentliche Lohnmassnahmen, sondern um die Korrektur von zu tiefen Einstufungen. Diese dürften aber nicht über die individuellen Lohnmassnahmen finanziert werden.

Es überrascht deshalb wenig, dass die Unzufriedenheit über das Lohnsystem als Ganzes sehr gross ist. Erschreckende 88 Prozent sind nur teilweise oder gar nicht zufrieden mit dem System.

Ältere diskriminiert?

Insbesondere viele ältere Mitarbeitende, die hoch im Lohnband eingestuft sind, beklagten sich bei uns, dass sie generell von Lohnerhöhungen ausgeschlossen wurden. Ein Kollege schreibt: «Die individuellen Lohnerhöhungen sind für uns ältere Mitarbeitende in den nächsten Jahren kein Thema mehr, sagte mir mein Vorgesetzter.» Der Handlungsbedarf ist bei so grosser Unzufriedenheit dementsprechend gross.

Zu tiefe Gesamtsumme der Lohnerhöhungen?

syndicom liegen zudem Informationen vor, dass nicht nur bei der Anwendung des Lohnsystems Fehler passiert sind, sondern dass zumindest in einzelnen Bereichen eine falsche Berechnungsgrundlage für die Gesamtsumme der Lohnerhöhungen genommen wurde. Im GAV ist nämlich vereinbart, dass 0,6 Prozent der Gesamtlohnsumme (bei PostAuto 0,4%) aller Mitarbeitenden als Berechnungsgrundlage dienen. Mindestens in einzelnen Bereichen wurden aber nur die Gesamtlohnsumme jener genommen, die innerhalb des Lohnbandes liegen. Damit verringert sich die Gesamtsumme, die für individuellen Lohnerhöhungen zur Verfügung steht, natürlich massiv. Das wäre eine krasse Verletzung des GAV und muss dringend abgeklärt werden.

Klarer Handlungsauftrag für syndicom

Aus diesen Informationen und Rückmeldungen resultiert für syndicom ein klarer Handlungsauftrag. Wir werden die Post und die Verantwortlichen in den verschiedenen Bereichen kontaktieren, folgende Themen auf den Tisch bringen und so rasch als möglich überprüfen:

• Wenn lediglich die zu tief Eingestuften gepuscht werden, zielt dies in die falsche Richtung. Individuelle Lohnmassnahmen sollen gestützt auf die vertraglichen Kriterien ausgerichtet werden (Ziffer 2.19.2, Abs. 3 GAV).

• Das Problem der zu tief Eingestuften ist ein strukturelles Problem und darf nicht ausschliesslich aus den Mitteln der individuellen Lohnmassnahmen alimentiert werden. Vergleiche dazu auch die Übergangsbestimmungen (Ziffer 8.4 GAV Post CH AG, Ziffer 7.4 GAV PostAuto und Ziffer 7.4 GAV PostFinance AG).

• Mitarbeitende mit höheren Löhnen grundsätzlich von den individuellen Lohnmassnahmen auszuschliessen, verletzt die GAV.

• Sollte sich sogar herausstellen, dass die Gesamtsumme, die für die Lohnerhöhungen bereitgestellt worden ist, zu tief ist, braucht es drastische Sofortmassnahmen. Das würde nämlich bedeuteten, dass die Post dem Personal mehrere Millionen Franken vorenthält. syndicom würde in einem solchen Fall verlangen, dass das Geld rückwirkend ausbezahlt wird.

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