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Verpackungsdruck unter Druck

Kaum eine Woche verging, nachdem der Frankenkurs nicht mehr gestützt wurde, schon schrien die Arbeitgeber nach Kurzarbeit und Lohnsenkungen. Dass man sich gegen solche willkürlichen und meist sogar illegalen Massnahmen wehren kann, zeigen die Beispiele aus Betrieben, wo sich die Betroffenen an unsere Gewerkschaft gewandt haben.

 

Vor drei Monaten hob die Schweizerische Nationalbank den Mindestwechselkurs von 1.20 Franken pro Euro auf. Diese Entscheidung trifft auch unsere Branchen, besonders hart den Buchhandel, Buchbindereien und Verpackungs- und Etiketten­betriebe. Viele Firmen nutzen die Währungspolitik als Anlass, rigorose Sparmassnahmen durchzusetzen.

Der Gewerkschaftsbund musste feststellen, dass bereits Hunderte von Betrieben Änderungen bei Arbeitszeit und Lohn eingeführt haben. Die Arbeitgeber und ihre Vertreter müssen in die Pflicht genommen werden und sollen tun, was sie in den Medien behauptet haben: abwarten und sorgfältig abwägen, bevor sie die Arbeitsbedingungen angreifen. Das gilt umso mehr, als verschiedene Betriebe sofort auch illegale Massnahmen getroffen haben und beispielsweise den GrenzgängerInnen die Löhne stärker kürzten als dem Personal mit Schweizer Wohnsitz. Alle Regionen sind von dieser Situation betroffen.

Betriebe ohne GAV schlagen zuerst los

In der Westschweiz wurden die Arbeitszeiten der Angestellten des Office du Livre in Fribourg heraufgesetzt und die Löhne gekürzt. In der Deutschschweiz senkt die Etikettenherstellerin Eson Pac in Aesch BL die Löhne. Die Karl Augustin AG in Thayn­gen SH, wo wir bereits 2010 erfolgreich gegen die Bezahlung der GrenzgängerInnen in Euro interveniert haben, will die 45-Stunden-Woche einführen. Auch die Pago AG in Grabs SG, die zur Fuji-­Seal-Gruppe gehört, verfolgt dieses Ziel. Und die ­ Limmatdruck Zeiler AG in Köniz BE, die der deutschen RLC Packaging Group gehört, will die 45-Stunden-Woche einführen und kündigt eine mögliche Streichung des 13. Monatslohns an, falls 2015 ein negatives Betriebsergebnis resultieren sollte.

Im Tessin ist es die ­ Südpack SA in Bio­ggio, die unsere Gewerkschaft beschäftigt. Wir wehren uns zusammen mit den Angestellten gegen das Massnahmenpaket der Firma, das eine Erhöhung der Arbeitszeit und die Streichung der Zuschläge oder alternativ eine massive Lohnkürzung umfasst.

Alle diese Betriebe unterstehen keinem Gesamtarbeitsvertrag, was erklärt, weshalb sie diese Massnahmen ohne grosse Schwierigkeiten einführen können. Eine Ausnahme bildet die Tessiner Südpack, die einen Firmen-GAV abgeschlossen hat.

Die Lage in der grafischen Industrie
Vergleicht man das mit der grafischen Industrie, die über einen landesweiten GAV verfügt, sieht man, dass zwar einige Betriebe Kurzarbeit beantragt haben, mehr aber nicht. Nur: Vorsicht! Der Angriff auf diesen GAV wird schon vorbereitet. Der Arbeitgeberverband will ihn kündigen und wird anlässlich seiner Delegiertenversammlung am 23. April in Zürich über den Verhandlungs-Fahrplan entscheiden. Sein Ziel ist: Einführung der 42-Stunden-Woche und Senkung der Nachtzuschläge auch in den Zeitungsdruckereien.

in organisierten Betrieben kann es gut laufen

Informationen sammeln, sich nicht unter Zeitdruck setzen lassen, eine Befristung für allfällige Notmassnahmen und eine Beschäftigungsgarantie verlangen: So würden wir vorgehen, und das empfehlen wir auch unseren Mitgliedern und den Betriebskommissionen. In den Betrieben, wo es keine oder nur geringe gewerkschaftliche Präsenz gibt, ist es schwierig zu intervenieren, und der Druck auf die Beschäftigten ist hoch. Wo Massnahmen aufgezwungen worden sind, hat sich das Arbeitsklima stark verschlechtert. Dabei ginge es auch anders: Neben Südpack, wo wir seit Jahren einen Firmen-Gesamtarbeitsvertrag haben, ist die Limmat­druck Zeiler AG in Köniz ein gutes Beispiel.

Die Geschichte von Zeiler

Zeiler produziert unter anderem Verpackungen für Nespresso. Eine Gruppe von Druckern, die unserer Gewerkschaft angehören, hat sich an uns gewandt, und gemeinsam haben wir Änderungen zu den vom Betrieb angestrebten Massnahmen ausformuliert und zum Teil auch durchsetzen können. Die direkt Betroffenen haben nicht nur unsere Unterstützung geschätzt, sondern auch verstanden, wie wichtig es ist, die Gewerkschaft an ihrer Seite zu wissen. Das betriebliche Abkommen ist bis Ende 2015 befristet. In der Zwischenzeit wollen wir die jetzt neu entstehende Betriebskommission stärken, welche die weitere Entwicklung verfolgen und sich vor allem auf künftige Massnahmen vorbereiten muss.

Wir haben darüber hinaus Kontakt mit den KollegInnen der Gewerkschaft Verdi in Deutschland aufgenommen, um eine allfällige Unterstützung aus den dortigen vier Betrieben von RLC Packaging zu prüfen.

Abschliessend möchte ich allen in unseren Branchen tätigen betroffenen Personen raten, uns über das Geschehen in ihrem Betrieb zu informieren und der Gewerkschaft beizutreten. Nur so kann man sich der Situation stellen. Anderenfalls bliebe nur der individuelle Rechtsweg oder die Resignation. Es ist wichtig, dass man sich gerade in Betrieben, wo Druck und Erpressung herrschen, mit äusserster Vorsicht und Sensibilität bewegt. Dann bleibt der Erfolg nicht aus.

Wir erleben eine wirtschaftlich schwierige Phase, nicht nur wegen der Aufhebung des Mindestkurses. Wir müssen verhindern, dass die Arbeitnehmenden als Erste zur Kasse gebeten werden und auch noch den höchsten Preis bezahlen.

Angelo Zanetti, Zentralsekretär Grafische Industrie/Verpackung

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