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Verrückt, entsetzlich, lustvoll

«Vabanque» – das bedeutet so viel wie «alles auf eine Karte setzen». Ein attraktiver Buchtitel! Aber hält denn der Roman mit dem noch kühneren Untertitel «Journal einer Amour fou» wirklich, was er auf dem schwarz-orangen Cover verspricht? Nach der ersten Seite war mir klar: Ja, das ist eine grossartige Liebesgeschichte, aber sie geht nicht nur ans Herz, sondern auch an die Nieren! Zu Beginn, im Kapitel «Das Nachtmahl», sitzen vier Personen in einem edlen Zürcher Speiselokal. An einem Tisch Orlando und der «Zigeuner» Vladimir, welche sich beide feierlich Beefsteak Tatar servieren lassen, und am Nebentisch zwei ihnen unbekannte Frauen, Margherita und Julieta.

Es geht gesittet zu und her an diesem Frühlingsabend – bis plötzlich der Blitz die beiden sich vollkommen fremden Menschen Julieta und Vladimir trifft! Sie verlassen das Restaurant als andere, als sie es betreten hatten: Es beginnt ihr verrücktes Leben zu zweit. Der Künstler, Trinker und Chaot Vladimir und die schöne, arrivierte Journalistin, die vor kurzem, nach Jahren im Süden, wieder in die Stadt gekommen und keineswegs auf der Suche nach einem Mann ist. Doch Vladimir lässt keine und keinen kalt, seine Würde, sein Stolz und seine Poesie kommen ihm selbst beim Gang aufs Sozialamt nicht abhanden. Jeder Tag ist für die zwei aufs Neue verrückt, entsetzlich und doch so lustvoll! Und ich als Leserin bin mittendrin und werde irgendwie Teil der Geschichte, Teil eines Theaters, wie es nur das Leben schreibt.

Und das Unglaubliche kommt erst: Die Autorin ist weit über 80 Jahre alt! Es ist die Modegrafikerin und Journalistin Mix Weiss, geboren 1924 in Ebikon. «Vabanque» ist ihr zweiter Roman, den ersten hat sie mit 76 Jahren geschrieben. Dass eine Frau in diesem Alter einen so ergreifenden Roman verfasst, als hätten die Sätze schon jahrelang in ihr gelebt, lässt mich einfach staunen! Es sind 145 Seiten, die einen fesseln und die düsteren Wintertage vergessen lassen. Wie heisst es so schön: «Alter schützt vor Torheit nicht!» Bei Mix Weiss ist die Torheit allerdings eine Wonne! Nur weiter so!

Christine Hunziker ist Buchhändlerin und Museums­mitarbeiterin.

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