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«Viele Unterschriften stärken uns den Rücken»

Freude und Frust bei den Angestellten des neuen Buchhandelsriesen Orell Füssli Thalia AG: Ab 1. Januar 2015 unterstehen die Angestellten dem Gesamtarbeitsvertrag für den deutschsprachigen Buchhandel. Die Freude wird getrübt, denn die Geschäftsleitung will die wöchentliche Arbeitszeit um eineinhalb Stunden erhöhen – ohne jegliche Kompensation. Die Belegschaft wehrt sich mit einer Petition, Maria König und Michael Buol von der MAV berichten. 

 

syndicom: Maria König, Michael Buol: Ab 1. Januar 2015 sind die rund 1000 Angestellten von Orell Füssli Thalia (OFT) dem Gesamtarbeitsvertrag Buchhandel unterstellt. Das ist doch erfreulich?

Maria König (MK): Das ist an sich sehr erfreulich. Nur: Vor dem Zusammenschluss von ­Orell Füssli und Thalia zu OFT im letzten Oktober waren die rund 400 Angestellten von Orell Füssli bereits dem GAV Buchhandel unterstellt und profitierten von besseren Arbeitsbedingungen und Löhnen als im GAV verankert. Mit dem Zusammenschluss müssen die früheren OF-Angestellten einige Errungenschaften preisgeben.

Michael Buol (MB): Für die Thalia-Welt ist die GAV-Unterstellung ein grosser Schritt Richtung Qualitätssicherung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Ein GAV gibt minimale Standards vor, die eingehalten werden müssen. Für die rund 600 ehemaligen Thalia-Angestellten ist die GAV-Unterstellung ein Fortschritt und bedeutet konkret auch eine Erhöhung der Löhne. Die ehemaligen Thalia-Mitarbeitenden gewinnen eindeutig mehr als jene von Orell Füssli.

Ebenfalls auf 1. Januar 2015 sollen neue Anstellungsbedingungen für alle eingeführt werden. Unter anderem soll die wöchentliche Arbeitszeit um eineinhalb Stunden verlängert werden – ohne Kompensation. Wann habt ihr davon erfahren?

MK: Im April hat die OFT-Geschäftsleitung mit der MitarbeiterInnenvertretung (MAV), der Michael Buol und ich angehören, Kontakt aufgenommen, um über neue Arbeitsbedingungen zu verhandeln. Ein Ausschuss mit Filialleitern, Vertretern der Personalabteilung und der Geschäftsleitung und den fünf MAV-Mitgliedern ging Punkt für Punkt die neuen Anstellungsbedingungen durch. Bei den meisten Punkten konnten wir uns einigen. Gleich zu Beginn kam die Arbeitszeiterhöhung zur Sprache. Wir lehnten diese klar ab, auch weil keine Kompensation vorgesehen ist.

MB: Wir hatten von den Mitarbeitenden ein Mandat, kompromissbereit in die Verhandlungen zu gehen. Doch die Vorschläge der Arbeitgeberseite waren durchgehend schlechter als die Vorgaben in der GAV-Zusatzvereinbarung für Grossbuchhandlungen.* Über die eineinhalbstündige Arbeitszeiterhöhung ohne Kompensation hiess es von Seiten OFT: «Das wollen wir», da gebe es keinen Verhandlungsspielraum. Wir stiessen mit unseren Argumenten auf Granit. Wir fühlten uns richtiggehend vorgeführt.

Gibt es neben der Arbeitszeiterhöhung noch weitere Knackpunkte?

MB: Die Arbeitszeiterhöhung kam zu Beginn der Verhandlungen auf den Tisch. Wir konnten klar sagen, dass wir eine Arbeitszeitverlängerung ohne Kompensatio»n nicht akzeptieren. Der zweite Knackpunkt, nämlich das Lohnbandbreiten-Modell, wurde erst gegen Schluss aufgegriffen. Dieses Modell garantiert eine Lohnentwicklung aufgrund von Funktion, Dienstalter, Erfahrung und Leistung und ist vor allem auch für die Thalia-Angestellten wichtig, weil das Lohnsystem bis anhin keine Entwicklung vorsah.

MK: Bei Orell Füssli war das Lohnbandbreitenmodell installiert. Das jetzige Lohnmodell von OFT sieht nur noch Erhöhungen bei den Lehrlingslöhnen, im 1. und im 4. Praxisjahr vor. Das macht uns Sorgen. Es verspricht keine Lohnentwicklung mehr. Die Geschäftsleitung von OFT hat uns aber versprochen, dass das Lohnbandbreitenmodell verhandelt werden soll. Es ist mir wichtig, dass dieses Versprechen öffentlich festgehalten wird.

Wie läuft die Unterschriftensammlung, wie sind die Reaktionen?

MK: Die sind durchwegs positiv. Bis anhin haben die meisten unterschrieben. Die Reaktionen sind: Super, macht ihr etwas.

MB: Es ist vital wichtig, dass die Petition gut läuft. Es stärkt uns den Rücken. Man kann nicht drei Monate für etwas kämpfen, und dann unterschreibt niemand. Das Risiko war hoch, aber ich bin froh, dass wir gut unterwegs sind.

Warum ist es aus eurer Sicht wichtig, die Petition zu unterstützen?

MB: Erstens ist unsere Forderung mehr als nur anständig. Zweitens ist es eine Frage der Solidarität. Wenn man der Meinung ist, dass es eine gute Sache ist, dann ist Mitmachen sehr wichtig. Das sind dann die paar Prozente, die entscheiden, ob wir Druck aufbauen können.

MK: Wie Michael bereits gesagt hat, geht es um Solidarität. Je mehr mitmachen, desto mehr wird unsere Verhandlungsposition damit gestärkt und legitimiert. Wir müssen für gute Arbeitsbedingungen, für gute Löhne und für Wertschätzung unserer Arbeit gegenüber einstehen. Gute Arbeit soll anständig honoriert werden.

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