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Vierte Gewalt am seidenen Faden

Die Medien gelten als die vierte Gewalt im demokratischen Staat. In Zeiten der «alternativen Fakten» und der «Fake News» ist das nicht mehr selbstverständlich. Warum also sind freie Medien so wichtig für eine Demokratie? Was unterscheidet überhaupt freie Medien von unfreien? Und was hat syndicom als Gewerkschaft in dieser Diskussion zu sagen? 

 

Direkte Demokratie ist anstrengend – das wissen alle, die sich schon durch die Vorlage zum Bau eines Schulhauses, zur Sanierung der Kläranlage oder zur Umsetzung eines Verfassungsartikels gelesen haben. Wer sich seriös mit der Abstimmung auseinandersetzen will, braucht häufig einiges an Informationsmaterial, bis er/sie sich eine eigene Meinung machen kann. Informationsmaterial, das nicht nur von den Befürwortern kommt, sondern von allen erdenklichen Seiten, damit sich ein möglichst vollständiges Bild ergibt. Erst nachdem man vieles gelesen und mit anderen diskutiert hat, bildet man sich eine Meinung und geht abstimmen.

Das Gros dieser Infos kommt auch heute noch aus den klassischen Medien: aus Tageszeitungen, Radio und Fernsehen. Die längst nicht mehr «neuen» Medien holen zwar auf, doch langsamer, als die Berichterstattung vermuten liesse. Das belegt eine aktuelle Studie der Uni Fribourg, die im Auftrag der Stiftung für Technologiefolgen-Abschätzung, TA-Swiss, die Rolle der Medien im politischen Machtpoker untersucht hat.

Verzerrte Wahrnehmung

Neben Suchanfragen (vor allem bei Google) spielen die sozialen Medien, hauptsächlich Facebook und Twitter, eine wachsende Rolle im Buhlen um die Abstimmenden. Hier tobt der Kampf um die Deutungshoheit. Denn in den sozialen Medien kann ­posten, wer will. Was auch immer, jederzeit, beliebig oft. Niemand kontrolliert, ob die verbreiteten «Fakten» belegt sind. Im Gegenteil: Je reis­serischer ein Facebook­status oder eine Twitter­zeile formuliert ist, desto grös­ser sind ihre Chancen, per Algorithmus in die grosse weite Welt der Netzwerke gespült zu werden. Wie stark auf diese Weise kleine Gruppierungen in den Vordergrund der öffentlichen Wahrnehmung katapultiert werden können, zeigen die sog. Interaktionsraten: die stramm rechte Internetseite «Breitbart» etwa wird über die sozialen Medien in den USA 20 Mal mehr geteilt und ­geliket als die «New York Times» und das «Wall Street Journal», obwohl die Seite selbst nur halb so viel Aufrufe erzielt wie die der beiden andern Blätter.

In der Schweiz sind die Verhältnisse ähnlich gelagert, wenn auch noch nicht im Internet: Auch hier erreichen professio­nelle Aufreger wie Blocher, die «Arena» oder die «Weltwoche» mehr öffentliches (Medien-)Echo, als ihnen nach der Grösse ihrer «Community» eigentlich zustehen würde.

Verzerrtes Bild der Mehrheitsmeinung

Auch bei uns entsteht dadurch ein verzerrtes Bild des gesellschaftlichen Mainstreams. Denn noch orientieren sich deutlich mehr Menschen an den gros­sen Tageszeitungen als am Blatt des SVP-Politikers. «Mainstream» wiederum ist, neben der vermeintlichen «Elite», eines der neuen Lieblingswörter der «neuen Rechten». Dabei schwingt mit, dass der «Mainstream» von «oben» (der Elite) gelenkt sei – und deshalb Lügen verbreite.

Das ist an Absurdität kaum zu überbieten und untergräbt trotzdem (und bewusst) die Glaubwürdigkeit jeder traditionellen journalistischen Recherche. Dabei ist doch gerade das der grosse Unterschied zu den von privater – und oft politischer – Seite finanzierten Interessenspublikationen und Blogs: Während jene veröffentlichen, was die Geldgeber im Hintergrund ihnen diktieren, wird ein nach journalistischen Regeln verfasster Text nicht nur gründlich recherchiert, sondern auch durch die «2-Quellen-Regel» (eine Behauptung wird bei mindestens zwei voneinander unabhängigen Quellen kontrolliert) abgesichert, er wird möglichst neutral verfasst und bei Anschuldigungen erst veröffentlicht, nachdem der kritisierten Person oder Institution die Möglichkeit gegeben wurde, Stellung zu beziehen.

Noch halten sich die meisten Medien in der Schweiz an diesen Ehrenkodex. Diese Art von Journalismus kostet allerdings Zeit – und darum auch Geld, von dem im Zuge der Medienkrise immer weniger zur Verfügung gestellt wird.

Zeit ist Geld

Gestresste JournalistInnen haben weniger Zeit für die Recherche, werden unachtsam und begehen eher Fehler. Durch die ständigen Sparmassnahmen, also die «Restrukturierung» und Zusammenlegung der dezimierten Redaktionen entsteht ein dünnfädiger Einheitsbrei, der dem Ansehen der Medien zusätzlichen Schaden zufügt, während gleichzeitig die Informationsmöglichkeiten im qualitativ unkontrollierbaren Internet ins schier Unermessliche gewachsen sind.

Falsches Feindbild SRG

Um die Ursache für die Krise der Printmedien nicht alleine auslöffeln zu müssen, haben die grossen Verlagshäuser einen gemeinsamen Feind gesucht, der an ihrer Misere schuld sein soll. Gefunden haben sie die SRG, die dank Gebührengeldern tatsächlich unabhängig von den Interessen privater Geldgeber ist und darum vom ständigen Abbau noch weitgehend verschont blieb. TV und Radio profitierten sogar von der Verlagerung der Werbung in die elektronischen Medien.

Während die SRG dank ihrer audiovisuellen Inhalte zu den potenziellen Gewinnerinnen in der veränderten Medienlandschaft gehört, haben die Verlagshäuser die Digitalisierung zunächst verschlafen. In ihrer Überzeugung, dass die Wirtschaftlichkeit über allem steht, finden sie nun Partner am rechten Rand der Politik.

Seit kurzem spannt Tamedia (und mit ihr Verlegerpräsident Supino) im Werbevideobereich mit Goldbach Media zusammen – jener Firma, für die SVP-Nationalrätin Natalie Rickli arbeitet und die mit den Schweizer Werbefenstern ausländischer Privatsender die SRG direkt konkurrenziert. Rickli vertritt im Nationalrat und als Präsidentin der Kommission KVF eine Politik, die die unabhängige Berichterstattung der SRG unterbinden will. Von dieser Seite kommt also der Vorstoss, dass in Zukunft das Parlament über die SRG-Konzession bestimmen soll. Politiker würden dann darum zanken, was wir wie zu sehen bekommen.

Von Verlegerseite kommt die – von Rickli unterstützte – Idee des «Open Content»: die privaten Medienhäuser könnten von der SRG produzierte Inhalte gratis übernehmen. Das bedeutet nichts anderes, als dass die Gebührenzahler (also wir alle) für audiovisuelle Artikel bezahlt hätten, die Tamedia und Co. dann auf ihren Websites (von «Tagesanzeiger.ch» bis ­«Ricardo») über Paywalls und ­Werbegelder an uns zurückverkaufen. Und das Geld, das wir doppelt zahlen, wird aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in die Redaktionen investiert, sondern fliesst in die Taschen der Aktionäre.

Nun muss sich auch die Anhängerschaft einer unabhängigen und möglichst vielfältigen Medienlandschaft organisieren, denn es geht um die Verteidigung der Informationsfreiheit für uns alle.

Die Aufgabe der SRG wird immer wichtiger

Die SRG ist das einzige grosse Medienhaus, das unabhängig von Politik und privaten Finanz­interessen ein breites Informationsangebot für die ganze Schweiz produziert. Ihre Aufgabe wird angesichts des Versagens der klassischen Printmedien immer wichtiger. Darum setzen sich syndicom, SSM und Impressum vehement gegen die «No Billag»-Initiative und für eine politisch unabhängig finanzierte SRG ein. Die Medienorganisationen sind ausserdem Mitglied bei «Medien für Alle» und dem Verein Qualität im Journalismus. Auch bei der Ausbildung reden wir mit: syndicom sitzt im Stiftungsrat des MAZ.

Um eine vielfältige Medienlandschaft zu garantieren, müssen die Arbeitsbedingungen im privat finanzierten Journalismus endlich wieder verbessert werden. Darum kämpft syndicom seit Jahren mit Kampagnen und Aktionen um einen Gesamtarbeitsvertrag, der die Mindestbedingungen etabliert, die es für einen demokratierelevanten Journalismus braucht.

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