Artikel

Viscom-Zentralvorstand torpediert AVE

Unsere Enttäuschung ist riesig: Ein Jahr nach Einleitung des aufwendigen und komplizierten Prozesses zur Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit des GAV in der grafischen Industrie ist der Unternehmerverband viscom neuerdings überzeugt, dass die dazu notwendigen Quoren nun doch nicht erreicht seien! Deshalb hat der Zentralvorstand von viscom am 15. Februar beschlossen, den AVE-Prozess zu stoppen.

Dies ist ein Verrat an den Angestellten der grafischen Industrie! Wir haben zu Beginn der GAV-Verhandlungen 2015 die Vereinbarung zur Friedenspflicht nur unterzeichnet, weil wir mit den Arbeitgebern vereinbart hatten, gleich lange Spiesse für alle Druckereibetriebe zu schaffen und eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung durchzusetzen! Das Verhalten der Arbeitgeber kommt einem Vertragsbruch gleich. Und nicht zuletzt ist dieses Vorgehen schlicht unseriös, schliesslich erfolgten alle Eingaben zur Allgemeinverbindlichkeit beim Seco auf Grundlage der Zahlenangaben des viscom selbst und des Berufsamts:

  • Im März 2016 berechneten wir gemeinsam mit viscom, dass 57% der Arbeitgeber und 65% der Arbeitnehmenden dem GAV unterstellt sind. Auf dieser Basis erfolgte die Eingabe an das Seco. Die Angaben wurden im August von den Sozialpartnern bestätigt.
  • Eine Überprüfung der Zahlen aufgrund von Nachfragen des Seco ergab im Oktober, dass je 52% der Arbeitgeber und der Arbeitnehmenden dem GAV unterstellt sind.
  • Und jetzt sollen es gemäss viscom plötzlich deutlich weniger als 50% der Arbeitgeber und der Arbeitnehmenden sein!

Zur Erinnerung: Für eine AVE muss der Arbeitgeberverband mindestens 50% der Unternehmen mit drei und mehr Mitarbeitenden organisieren und diese Unternehmen müssen mindestens 50% der Mitarbeiter beschäftigen, die mit der AVE dem GAV unterstellt sind.

Tatsächlich mussten im Zuge der Krise in der Druckindustrie mehrere Unternehmen im vergangenen Jahr schliessen, Personal abbauen oder fusionieren. Doch dies betraf längst nicht nur viscom-Mitglieder.
syndicom und Syna sind deshalb nach wie vor überzeugt, dass die Quoren erfüllt sind. Aber es fehlen uns heute die Möglichkeiten für eine exakte Überprüfung der Beschäftigtenzahlen in den Betrieben.

Die wahren Gründe
Neben viscom scheint auch das Departement von Schneider-Ammann kein Interesse an der schützenden Regulierung der Arbeitsbedingungen in der Druckindustrie zu haben. Das Seco hat durch neu eingeführte bürokratische Hürden die Einführung der AVE zusätzlich erschwert.

Der entscheidende Grund für den verheerenden Beschluss des viscom-Zentralvorstands ist aber die politische Verbohrtheit der Unternehmer, die nicht einsehen, dass die AVE ein sinnvoller Schutz der Arbeit in der Schweiz ist und beiden Seiten nützt.

Und es ist die falsche «Rücksichtnahme» auf unorganisierte Betriebe und die Konkurrenzverbände auf Arbeitgeberseite, die nun weiterhin mit dem Segen des viscom Profit durch schlechte Arbeitsbedingungen machen dürfen. So treibt der viscom eine Abwärtsspirale bei den Arbeitsbedingungen in der Branche an, die auch den viscom-GAV-Betrieben grossen Schaden zufügen wird: Sie werden nur noch mehr unter dem Konkurrenzdruck der Dumpingbetriebe leiden.

syndicom und Syna ziehen ihre Schlüsse aus diesem Entscheid:

  • Jeder Betrieb, besonders aber, wer den viscom und den GAV verlassen will oder schon verlassen hat, muss zu spüren bekommen, dass er nicht mehr von der Friedenspflicht profitieren kann.
  • Wir fordern alle Angestellten der grafischen Industrie in Unternehmen ohne GAV auf, mit uns zusammen die GAV-Bedingungen zu erkämpfen.
  • Wir müssen den GAV verbessern: Ja zum Druckstandort Schweiz – aber nur mit guten Arbeitsbedingungen für alle!

Informiert bleiben

Persönlich, rasch und direkt

Du willst wissen, wofür wir uns engagieren? Nimm Kontakt zu uns auf! Bei persönlichen Anliegen helfen dir unsere Regionalsektretär:innen gern weiter.

syndicom in deiner Nähe

In den Regionalsekretariaten findest du kompetente Beratung & Unterstützung

Jetzt Mitglied werden