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Was bringt die Neuregelung konkret?

Die Neuregelung der Arbeitszeit-Erfassung betrifft bei syndicom vor allem die Angestellten in den Medien und in der Tele­kommu­nikation. Wie werden sich die neuen Bestimmungen auf den Arbeitsalltag in diesen Branchen auswirken? Wir haben bei den syndicom-Zentralsekretären Roland Kreuzer (Leiter Sektor Medien) und Giorgio Pardini (Leiter Sektor Telecom/IT) nachgefragt.

 

Wie soll die Neuregelung der Arbeitszeit­erfassung in euren Branchen umgesetzt werden?

Roland Kreuzer: Unmittelbar betroffen sind im Medienbereich von syndicom die Redaktionen. Dort haben wir zusammen mit Impressum seit einem Jahr mit Strafanzeigen Druck gemacht, dass die Arbeitsinspektorate Kontrollen durchführen zur Einhaltung der Arbeits- und Ruhezeiten. Jetzt brauchen wir nach beinahe 11 Jahren vertragslosem Zustand zuerst mal einen GAV für die Redaktionen der Deutschschweiz und des Tessins, und dieser GAV muss den Rahmen stellen für Aufhebung oder Vereinfachung der Arbeitszeiterfassung im Rahmen der neuen Verordnung.

Giorgio Pardini: In einigen GAV der ICT-Branche haben wir bereits verschiedene Regelungen, die den Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung ermöglichen. Diese Regelungen waren zwar in den GAV klar umschrieben, befanden sich aber bis jetzt in einer Grauzone. Mit der neuen Regelung, die teilweise von unseren bestehenden GAV-Lösungen abgeleitet ist, können wir nun eine gängige Praxis konsolidieren. Dies mit dem Vorteil, dass die Mindestanforderungen nun für alle Unternehmen die gleichen sind. Die Sozialpartnerschaft wird durch diese Neuregelung gestärkt, insbesondere im Bereich des Gesundheitsschutzes.

Was hilft der politische Entscheid konkret?

Kreuzer: Wir zählen darauf, dass der Verband Schweizer Medien einsieht, dass er ohne GAV und ohne Sozialpartnerschaft mit syndicom und Impressum nicht weiterkommt. Die Verleger Tamedia, Ringier und NZZ jammerten letztes Jahr gegenüber dem Bundesrat, dass die alte Regelung der Arbeitszeiterfassung «längst nicht mehr den Realitäten in der Arbeitswelt und den modernen Führungs- und Arbeitsformen» entspreche.

Jetzt sind wir gespannt: Wenn die Verleger bereit sind zum Abschluss eines GAV für die JournalistInnen und sich damit den Realitäten der Arbeitswelt und den Bedürfnissen ihrer Angestellten stellen, wird es in diesem GAV auch für Arbeitszeiterfassung und Gesundheitsschutz Regelungen geben.

Pardini: Im Laufe der politischen Debatte haben etliche Unternehmen der ICT-Branche begonnen, die Arbeitszeit­erfassung wieder einzuführen, zum Teil unter dem Druck der Arbeitsinspektorate. Die Einführung erfolgte zum Teil mit provisorischen Tools, was in Anbetracht der zum Teil verwirrenden Diskussionen verständlich war. Jetzt, da es klar ist, unter welchen Bedingungen auf eine Arbeitszeit­erfassung verzichtet werden kann, gehe ich davon aus, dass wir mit einzelnen Unternehmungen die GAV-Diskussionen konkretisieren werden.

Was könnten die Probleme sein, die jetzt auftauchen?

Kreuzer: Es könnte sein, dass die Verleger unter ihrem Verbandspräsidenten Hanspeter Lebrument den Ausgang aus dem Schützengraben nicht mehr finden, in dem sie sich während der letzten bald 11 Jahre mit ihrer Verweigerung von GAV-Verhandlungen verschanzt haben. Wir werden ihnen gerne helfen, da herauszufinden. Denn es bringt weder den JournalistInnen noch den Verlegern etwas, wenn durch die Verweigerung von GAV-Verhandlungen die neue Verordnung in den Redaktionen nicht richtig umgesetzt werden kann.

Pardini: Wenn diese neuen Regelungen im Rahmen einer GAV-Lösung vereinbart werden, sehe ich in der ICT-Branche keine Probleme, sofern die Regelungen korrekt umgesetzt werden. Ein mögliches Problem orte ich im Bereich der vereinfachten Arbeitszeiterfassung, sofern diese in individuellen Firmenvereinbarungen durch die Personalvertretungen festgelegt wird. Aus Erfahrung erachte ich diesen Lösungsansatz als wenig nachhaltig.

Denn PersonalvertreterInnen kommen und gehen, Gewerkschaftsorganisationen hingegen sind dauerhaft. Hinzu kommt, dass die Gewerkschaften unabhängig sind, während PersonalvertreterInnen in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen und daher tendenziell eher bereit sind, auf Forderungen seitens der Firma einzugehen.

Seht ihr griffige Lösungsansätze?

Kreuzer: In einem GAV muss es für JournalistInnen eine definierte Höchstarbeitszeit pro Woche geben, damit klare Grenzen gesetzt sind, die nicht überschritten werden dürfen. Für den Gesundheitsschutz muss genauer diskutiert werden, wo und wie für JournalistInnen die Schwerpunkte gesetzt werden.

Technisch ist es heute möglich, mit Hilfsmitteln wie einer App die tägliche Arbeitszeit auf einfache Art und Weise und ohne Bürokratie und Schikanen zu erfassen.

Pardini: Diese müssen in Gesamtarbeitsverträgen festgehalten werden. So muss beispielsweise auch der zivilrechtliche Aspekt mitberücksichtigt werden: In einem Streitfall muss die persönliche Arbeitszeiterfassung von Mitarbeitenden als Beweismittel vor Gericht zugelassen werden, so, wie wir dies in etlichen GAV bereits vereinbart haben.

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