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«Weshalb ich nicht an eine E-Book-Revolution glaube»

Obwohl sie gerne Buchseiten umblättert und Buchumschläge in den Händen hält, hat sich Valérie Solano als Antwort auf unseren Artikel über E-Reader in Ausgabe Nr. 6 überlegt, ob ihr Verlag ein solches Medium braucht.

 

Soll ich den Ratschlägen, mich der Digitalisierung zu stellen, folgen? Die Schwärmerei um das E-Book macht mich misstrauisch. Stimmt es beispielsweise, dass während des Weihnachtsgeschäftes in den USA mehr digitale als herkömmliche Bücher verkauft wurden? Werden die Autoren fair entschädigt? Wird die Weltkultur tatsächlich kostenlos, frei verfügbar und der Traum einer universalen Bibliothek wahr? Allein für die Digitalisierung der Kataloge haben die USA dem Verlagswesen Unsummen zur Verfügung gestellt. Denn die Kosten für die Digitalisierung bleiben hoch. Auch weil die Verleger in Abhängigkeit von der Informatik geraten.

Die digitale Revolution verspricht uns die grosse Freiheit: Schluss mit schweren Büchern, Schluss mit zensierenden Verlegern, Schluss mit Urheberrechten, die sich die Zwischenverdiener einverleiben … Doch die Realität enttäuscht: 1% des Marktes in der Schweiz, 20% in den USA, und «Publishers Weekly» kündigte Anfang 2014 an, dass das Wachstum im Jahr 2013 drastisch zurückgegangen sei. Der Hype hat nachgelassen. Findet die Revolution vielleicht gar nicht statt?

Und was ist mit dem Datenschutz?

Wer Kunde in einer Buchhandlung ist, hat die Möglichkeit, «Die Kartause von Parma» oder «Das Manifest der Kommunistischen Partei» anonym zu kaufen. Bei Amazon hingegen wird man identifiziert, registriert und stimmt den Nutzungsbedingungen zu. Mein Exemplar von Baudelaires «Blumen des Bösen» ist nirgends unter meinem Namen registriert und ich kann es nach Belieben an Leute verleihen. Die elektronische Version erlaubt mir nur fünf «Ausleihen» und nur an Nutzer derselben Plattform. 2009 löschte Amazon «1984» von George Orwell aus dem Angebot und gleich auch von den Lesegeräten. Solche «Büchervernichtung» wird sich wiederholen, da man die Datensätze beunruhigend einfach vom Reader löschen kann.

Könnte das digitale Buch wenigstens die Waldzerstörung verhindern? Vielleicht, aber sicher nicht die Klimaerwärmung und den Abbau der für die Herstellung der Lesegeräte benötigten Edelmetalle.

Für den Kauf von digitalen Büchern lassen sich die Kunden weiterhin in der Buchhandlung beraten. Das sieht man an den Verkaufszahlen der einzelnen Titel: Die Absätze der E-Books folgen denselben Kurven wie die gedruckten Bücher. Digitale Bücher sind nur ein zusätzliches Medium, das die Verleger und Buchhändler zur Diversifizierung in ihr Sortiment aufnehmen. Bei den Lesern findet sich das Lesegerät schliesslich auf dem Stapel neben ihrem Bett wieder. Ich werde jedenfalls noch lange keine E-Books produzieren!

Valérie Solano, Verlagsleiterin Editions des Sauvages

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