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«Wir bekommen eher zu wenig Schlaf»

Wenn es früher dunkel wird, schlafen wir früher ein. Dieses Herbst-Phänomen können Schicht­arbeitende nutzen, um ihre innere Uhr umzustellen, sagt die Schlafforscherin Dr. Esther Werth, Leiterin des Schlaflabors an der Klinik für Neurologie der Universität Zürich. 

 

syndicom: Frau Werth, warum ist Ihr Forschungsgebiet wichtig?

Esther Werth: Wir verbringen einen Drittel unseres Lebens im Schlaf. Und wir wissen heute noch nicht genau, welche Funktion der Schlaf hat. Wir haben nur Hypothesen. Zum Beispiel, dass wir Schlaf brauchen, um den Tag verarbeiten zu können. Die Verarbeitung, das definitive Speichern von Informationen, das Löschen von Unwichtigem findet vor allem während des Schlafens statt.

Wie viele Stunden Schlaf braucht der Mensch?

Das ist sehr individuell. Normalschläfer, das heisst Menschen, die etwa sieben bis acht Stunden Schlaf brauchen, gibt es am häufigsten. Es gibt aber auch Kurzschläfer, die weniger als 6 Stunden brauchen, oder Langschläfer, die täglich mehr als 8,5 bis 9 Stunden schlafen müssen. Um herauszufinden, was für ein Schlaftyp Sie sind, sollten Sie Ihre Schlafzeiten in der Freizeit als Richtmass nehmen.

Schlafen wir denn genug?

Es gibt eine Umfrage, bei der die Leute gefragt wurden, wie viel Stunden sie schlafen und wie viel sie gern schlafen würden. Bei den Antworten gibt es eine Diskrepanz: Man würde gern mehr schlafen, als man eigentlich tut. Das ist ein Hinweis, dass wir wohl eher zu wenig Schlaf bekommen.

Ist es nur ein Gefühl, dass ich jetzt im Herbst mehr Schlaf brauche?

Forscher haben bestätigt, dass wir im Herbst und Winter mehr schlafen. Warum das aber so ist, ist nicht klar belegt. Man kann es zum Teil mit den schlechteren Lichtverhältnissen im Winter und Herbst erklären. Licht ist sehr wichtig für unseren Schlafrhythmus, deswegen passt sich der Körper an.

Gibt es Dinge, die ich im Bett besser nicht tun sollte?

Wenn Sie Schlafprobleme haben, sollten Sie im Bett nur schlafen. Sie sollten im Bett nicht fernsehen und keinen Laptop benutzen. Bei Schlafproblemen reagiert der Körper auf das Licht und die Lichtfarbe. Computer- und Handy­bildschirme strahlen stark blaues Licht aus, das viel aktivierender als rotes Licht ist. Das ist zum Einschlafen ungünstig.

Was kann ich sonst tun, um Schlafprobleme zu vermeiden?

Nach dem Zmittag den letzten Kaffee trinken, abends keinen Alkohol trinken, Sorgen nicht mit ins Bett nehmen und das Licht bereits früh dimmen.

Und wenn ich trotzdem nicht einschlafen kann?

Dann sollten Sie wieder aufstehen – dies gilt auch mitten in der Nacht – und irgendwas tun, das nicht zu aktivierend ist. Lesen beispielsweise oder Bügeln. Sobald das Müdigkeitsgefühl kommt, gehen Sie wieder ins Schlafzimmer. Eine schlechte Nacht hat aber nicht zwingend einen schlechten Tag zur Folge. Unser Körper kann das kompensieren. Dieses Wissen hilft vielleicht gegen die Panik, nicht einschlafen zu können, die das Einschlafen noch schwieriger macht. Erst wenn Sie öfters schlechte Nächte verbringen, gibt das ein Problem.

Sind Schlafstörungen stark verbreitet?

Das kommt darauf an, was wir darunter verstehen: 20 bis 40 Prozent der Bevölkerung sagen, sie hätten Schlafstörungen. Aber klinisch relevant sind solche Schlafprobleme erst, wenn sie die Tagesbefindlichkeit stören und beispielsweise Unfälle zur Folge haben. Das betrifft noch ein bis zwei Prozent.

Welches sind die Konsequenzen?

Bei starkem Schlafmangel kann es zu Tagesmüdigkeit, Leistungseinbussen, Gedächtnis- und Konzentrationsschwächen führen. Ausserdem sind Menschen mit Schlafmangel stärker anfällig auf Infektionen. Sie können an Gewicht zunehmen, und das Risiko für andere Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes steigt, weil der Stoffwechsel nicht optimal funktioniert.

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