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«Wir sind alle erschrocken»

Im Buchhandel arbeiten viele Frauen Teilzeit, auch bei Orell Füssli. Die Löhne sind nicht hoch. Viel Arbeit macht die Verhandlung der komplizierten Personalvorsorge, obschon wenig Ertrag in Form von Renten erwartet werden kann. Die Buchhändlerin Henriette Borchert, Gewerkschafterin und Mitglied der Personalvertretung, verhandelt mit und spricht Klartext. 

 

Henriette Borchert spricht schnell und in perfektem Hochdeutsch; die Unverblümtheit und der Wortwitz ihrer niederrheinischen Heimat sind ihr in den vielen Jahren in der Schweiz nicht abhanden gekommen. Aufgewachsen ist sie am Rande des Ruhrgebiets; hier machte sie Abitur und studierte dann in Berlin Englisch und Deutsch.

Henriette ist eine Quereinsteigerin im Buchhandel; 1984 kam sie zu ihrem damaligen Partner nach Bern, arbeitete als freie Journalistin und trat 1989 ihre erste Stelle bei der Buchhandlung Stauffacher an.

Teilzeit ist teuer!

«Ich hatte ganz wenige Unterbrüche in meiner 27-jährigen Laufbahn als Buchhändlerin», stellt sie fest, «und fast immer war ich vollzeitlich angestellt, zum Teil in leitender Stellung. Viele Kolleginnen dagegen arbeiten Teilzeit. Bei unseren bescheidenen Löhnen kann man sich ausrechnen, was nach der Pensionierung zum Leben bleiben wird, umso mehr, als die Renten aus der zweiten Säule mit sinkenden Umwandlungssätzen rasch dahinschmelzen. Und mit unseren Vorsorgegeldern bauen die Anlagestiftungen wiederum teure Immobilien, die wir als Versicherte nie im Leben werden bewohnen können!»

Ist man jung, kümmert man sich wenig um solche Fragen. Henriette, Mitglied der fünfköpfigen MitarbeiterInnenvertretung bei Orell Füssli, hat sich intensiv mit dem System der beruflichen Vorsorge in ihrem Betrieb auseinandergesetzt. Von Anfang an war Henriette gewerkschaftlich organisiert, erst beim ASB, dann bei comedia und syndicom. Sie ist Mitglied im ZV von syndicom.

Vorsorgeausweis verstehen mit Fritz Gurtner

«Wir müssen uns für unsere Renten wehren», sagt sie. «Ich musste mich richtig in die Materie reinknien. Man bekommt ja einmal im Jahr den Ausweis von der Pensionskasse, aber man muss schon genau hinschauen, um zu sehen, was dahintersteht.» Henriette und ihre KollegInnen haben sich mit Fritz Gurtner von syndicom zusammengesetzt, um die Situation bei Orell Füssli besser zu durchschauen; zwei ihrer Kolleginnen in der MAV haben einen Kurs über die zweite Säule beim gewerkschaftlichen Bildungsinstitut Movendo gemacht. «Wir sind alle erschrocken, als wir zusammen mit Fritz Gurtner unsere Versicherungsausweise studiert haben.»

Zweierlei Mass in der beruflichen Vorsorge

Mit der Übernahme von Thalia durch Orell Füssli gebe es zwei Personalvorsorgeeinrichtungen, erklärt Henriette – mit unterschiedlichen Leistungen. «Wir haben unter anderem festgestellt, dass die Vorsorgestiftung der Thalia-Beschäftigten einen erstaunlich hohen Verwaltungsaufwand hat. Das ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich, aber es ist klar: diesen Aufwand bezahlen wir als Versicherte.»

Schwierige Details, magere Renten

Die unterschiedlichen BVG-Leistungen der beiden Stiftungen werden nach der Sommerpause Gegenstand von Verhandlungen sein. Die Detailfragen sind recht komplex: «Wir müssen im Interesse unserer KollegInnen sorgfältig abwägen.» Um fette Renten geht es so oder so nicht. Und auf ihre unnachahmlich trockene Art fügt Henriette hinzu: «Für uns wird die Frage nicht lauten, ob wir uns später eine Kreuzfahrt leisten können, sondern viel eher, ob das Geld für einen Wintermantel reicht.»

Ganz anders funktioniert dagegen die AHV! Die AHV ist gerecht, sozial und solide. Mit kleinem Aufwand bringt AHVplus höhere Renten. Siehe auch letzte Seite!

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