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Zwischen Internet und Idealismus

Seit der Aufhebung der Buchpreisbindung scheint im Buchhandel kein Stein auf dem anderen zu bleiben. Liberalisierungen, Personalmangel und Arbeitsdruck, Online-Handel und Technologiewandel setzen den BuchhändlerInnen zu. 

 

Die syndicom-Branchentagung Buch und Medienhandel vom 17. März in Bern begann mit einer Erfolgsmeldung: «Wir haben innert nur zweier Monate über 60 000 Unterschriften für das Referendum gegen den 24-Stunden-Arbeitstag gesammelt», vermeldete Eva Geel, Koordinatorin der Sonntagsallianz und Unia-Mitarbeiterin. Allerdings sei die Abstimmung noch längst nicht gewonnen. Zudem hätten die bürgerlichen Parteien und die Lobbyisten der Grossverteiler weitere Motionen eingereicht, die umfassende Liberalisierungen verlangen. «Sie geben nicht auf, aber wir auch nicht», gab Geel sich kämpferisch.

Eva Bachofner, Präsidentin der Branche und Leiterin der Tagung, betonte, dass die verlängerten Ladenöffnungszeiten regelmässig Thema seien in den Verhandlungen mit dem Arbeitgeberverband, dem Schweizer Buchhändler- und Verlegerverband. Aber die Ladenöffnungszeiten seien längst nicht der einzige Grund, weshalb der Arbeitsdruck zunehme. Danièle Lenzin, Leiterin der Branche und Co-Präsidentin syndicom, zeigte in ihrem Referat weitere Elemente des Strukturwandels auf: Seit 2007, seit der Aufhebung der Buchpreisbindung in der Deutschschweiz, haben 13 Prozent der Buchhandlungen ihre Pforten geschlossen, der Umsatz verringerte sich im selben Zeitraum um 12,2% und die Buchpreise sanken in den letzten zwei Jahren ebenfalls um 13%.

Doch diese Erosion lässt sich nicht alleine mit der abgeschafften Buchpreisbindung erklären: «Hinzu kommen der starke Franken und der stetig wachsende Online-Handel.» Dieser macht inzwischen fast einen Viertel des Umsatzes aus – Tendenz steigend. «Der umkämpfte Online-Handel ist auch der Grund der Fusion der beiden Grossfilialisten Orell Füssli und Thalia. Das ist eine Kampfansage an Amazon», machte Lenzin klar.

Der heimelige touch kommt nicht von alleine

«Wir ‹Kleinen› sind kompetent!» Isabelle Hof-Kiebel, Inhaberin der Basler Buchhandlung Gan­zoni, schilderte engagiert die Herausforderungen für die kleinen Buchhandlungen. Ein ausgewähltes Sortiment, individuelle Beratung und gezielte «Events» werden der Stammkundschaft geboten, damit sie bleibt. Der heimelige Touch, der nur kleinen Buchhandlungen ­eigen ist, muss aber professionell hergestellt werden: «Ich muss von meinem Umsatz anständige Löhne zahlen, hobbymässig geführte Buchhandlungen können das nicht.»

Wie gross die kulturellen Unterschiede in der Schweiz sind, zeigte die Diskussion über Non-Books. Verblüfft nahmen die Deutschschweizer die Ausführungen von Christian Benoit, Leiter Buchhandelsfachklasse an der Ecole professionnelle commerciale de Lausanne (EPCL), zur Kenntnis: Während in Deutschschweizer Grossbuchhandlungen die Non-Books einen Viertel des Umsatzes beisteuern, kennt der Westschweizer Buchhandel dieses Phänomen nicht: «In der Romandie ist das Buch ein Kulturgut und nicht Kommerz.» Überraschendes hatte Benoit auch über die Inhalte der Berufslehre zu erzählen: Durch die schnelllebige Entwicklung neuer Technologieformate sei es schwierig zu beurteilen, ob eine neue Applikation nur eine Modeerscheinung oder etwas Dauerhaftes sei. Welches Wissen sollen sich die Lehrlinge in drei Jahren aneignen? Das ist eine Frage, die laut Benoit kaum zu beantworten ist.

In Arbeitsgruppen formulierten die Tagungs-Teilnehmenden Erwartungen an die Gewerkschaft. Der Wandel löst gros­se Verunsicherungen aus. Am schwierigsten sei es, die eigenen Ansprüche an den Beruf mit der Realität zu verbinden. Die dünne Personaldecke verunmögliche es, die Kundschaft richtig zu beraten oder Lernende umfassend zu betreuen. Die zunehmende Zentralisierung bei den Grossen schränke den eigenen Gestaltungsraum stark ein. Insgesamt führe das zu einer schwächeren Identifikation sowohl mit dem Beruf als auch mit dem Arbeitgeber. Die Gewerkschaft müsse sich vor allem für die Rahmenbedingungen wie den GAV einsetzen oder gegen die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten und die Vernetzung fördern. Und Tagungen wie diese seien auch an einem Sonntag den Weg nach Bern wert.

* Daniel Bouhafs ist Journalist BR.

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