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Neue Studie zeigt: Die Arbeit im Call-Center wird immer anspruchsvoller und verlangt nach attraktiveren Rahmenbedingungen

Die Call-Center-Branche in der Schweiz ist auf immer besser qualifizierte Mitarbeitende angewiesen. Gleichzeitig sind die Bedingungen in der Branche für die Angestellten heute zu wenig attraktiv und ihre Perspektiven eingeschränkt. Eine aktuelle Studie der Universität Basel, welche die Gewerkschaft syndicom heute zusammen mit den Autoren in Bern präsentiert hat, listet die Trends und Probleme der Branche auf und zeigt Lösungswege für die Zukunft – wie beispielsweise den Branchen-Gesamtarbeitsvertrag.

v.l.: Daniel Münger (syndicom), Prof. Ueli Mäder (Uni Basel), Riccardo Pardini (Uni Basel), Daniel Hügli (syndicom), © Bruno Schmucki

«Die Ergebnisse sind brisant», kommentiert Soziologieprofessor Ueli Mäder die Studie. «Sie zeigen auf, dass die meisten Call-Center in der Schweiz die künftigen Herausforderungen der Branche kaum bewältigen können, wenn ihre Anstellungsbedingungen zu wenig attraktiv sind fürs zunehmend höher qualifizierte Personal, das sie benötigen.» Er weist damit auf ein gravierendes Problem der Call-Center-Branche hin, welche in der Schweiz rund 30‘000 Personen in ungefähr 900 Call-Centern beschäftigt.

Die 250 Seiten starke Fallstudie «Arbeiten im Call Center» wurde von der Gewerkschaft syndicom und der Stiftung sovis in Auftrag gegeben. Unter der Leitung von Ueli Mäder haben Riccardo Pardini und Bianca Fritz die Arbeitssituationen in der Call-Center-Branche erforscht. Sie haben Experteninterviews geführt, 45 Führungskräfte und Angestellte aus 12 verschiedenen Unternehmen ausführlich befragt, sowie eine umfangreiche Medienanalyse vorgenommen.

Hochwertige Dienstleistungsangebote
Die Studie stellt einen markanten Strukturwandel und klare Trends fest: Wenig anspruchsvolle Call-Center-Aufgaben werden zunehmend automatisiert oder ins Ausland vergeben. Die Call-Center in der Schweiz müssen sich vermehrt auf qualitativ hochwertige und kostenintensive Dienstleistungsangebote fokussieren, um sich von der Konkurrenz abzuheben. «Dabei gewinnt die soziale Interaktion im Kundenkontakt und die kommunikative Kompetenz der einzelnen Agentinnen und Agenten an Bedeutung: in der Gesprächsführung genauso wie in der schriftlichen Korrespondenz», fasst Studien-Autor Riccardo Pardini zusammen. Die Angestellten müssten zudem vermehrt ganze Prozesse managen und mehrere Kommunikationskanäle abdecken. Das verlange ein anspruchsvolles Multitasking. Und es bedeutet auch, dass es immer weniger Arbeitsplätze für niedrigqualifizierte Arbeitskräfte gibt.

Wenig attraktive Arbeitsbedingungen und kaum Perspektiven

Wer in einem Call-Center arbeitet, muss sich in der Arbeitswelt noch mit verschiedenen anderen Problemen auseinandersetzen. So gilt die Ausbildung zum «Fachfrau/Fachmann Kundendialog» im Vergleich zu einer kaufmännischen Lehre als minderwertig und wird von den Absolvierenden oft als Sackgasse wahrgenommen. Auch gegen aussen – gestützt durch entsprechende Medienberichte – geniesst die Branche einen vorwiegend schlechten Ruf. Die Aufstiegschancen innerhalb der Unternehmen sind zudem sehr begrenzt. Und berufliche Weiterbildungen erfolgen fast ausschliesslich auf produktspezifische Themen, die ihren Wert schnell verlieren und wenig Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Schliesslich sind die Mitarbeitenden kontinuierlichen Rationalisierungsprozessen unterworfen. Das Arbeitsvolumen nimmt stetig zu und somit auch die Arbeitsdichte. Die Branche steht also vor der Herausforderung, den Verbleib von qualifizierten Angestellten in der Branche nachhaltig zu sichern.

Rahmenbedingungen verbessern: GAV, Lohn, Aus- und Weiterbildung
Aus Sicht der Gewerkschaft syndicom drängen sich verschiedene Massnahmen auf, um das Dilemma zwischen steigenden Anforderungen und unbefriedigenden Arbeitssituationen zu lösen. So ist im Herbst 2015 der zwischen syndicom und dem Arbeitgeberverband contactswiss ausgearbeitete Gesamtarbeitsvertrag (GAV) in Kraft getreten – erstmals überhaupt für die Branche. Der GAV bildet die Basis für die Weiterentwicklung der Arbeitsbedingungen und Löhne. Er soll auch möglichst rasch auf die ganze Branche ausgeweitet und vom Bundesrat allgemeinverbindlich erklärt werden, damit der Konkurrenzkampf in Zukunft nicht mehr über Personalkosten ausgetragen wird, sondern über die Dienstleistungsqualität. Daniel Hügli, Zentralsekretär von syndicom, betont: «Die Branche kann die Herausforderungen der Zukunft nur meistern, wenn sie den Mitarbeitenden das Recht auf Aus- und Weiterbildung zubilligt. Gewähr dafür bietet nur der Gesamtarbeitsvertrag.» Auch müsse die Berufsausbildung «Fachfrau/Fachmann Kundendialog» erweitert und vertieft werden. Schliesslich empfiehlt Hügli, dass die Sozialpartner gemeinsam vorausblickend planen, um die Herausforderungen durch den technologischen Wandel bewältigen zu können.


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