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NZZ-Geschäftsleitung unterlief das Konsultationsverfahren

Am 9. Januar endete das Konsultationsverfahren zum Entscheid des Verwaltungsrats, die NZZ-Druckerei in Schlieren zu schliessen. Jetzt wartet die Belegschaft auf die Antwort des Verwaltungsrats. Ob die vorgelegten Dokumente und die Petition mit 1000 Unterschriften den absurden Beschluss rückgängig machen können? 

 

Über 1000 Personen, darunter Betroffene aus der Druckerei, aber auch zahlreiche Mitglieder der NZZ-Redaktion und viele ParlamentarierInnen, unterschrieben eine Petition zum Erhalt der NZZ-Druckerei in Schlieren. Etwa 100 von ihnen standen am 19. Dezember vor dem Hauptgebäude an der Zürcher Falkenstrasse, um CEO Veith Dengler persönlich zu sagen, was sie von seinem Entscheid halten, die traditionsreiche und rentable Druckerei zu schliessen: Ganz und gar nichts! Dengler nahm die Ansprachen der Betriebs- und der Personalkommission mit steinernem Gesicht entgegen und wiederholte in die Mikro­fone der JournalistInnen, was er schon früher verlautbart hatte: Der Druck der Zeitung koste eben Geld – das er offenbar lieber anderswo einsetzen möchte.

Unruhe um Chefredaktor

Während Verwaltungsratspräsident Etienne Jornod, der tags zuvor einen Auslandaufenthalt unterbrochen hatte, um sich von den Ressortleitern seiner Zeitung erklären zu lassen, weshalb die Idee, Markus Somm als NZZ-Chefredaktor zu inthronisieren, einen öffentlichen Empörungssturm verursacht hatte, während Jornod also wieder nach Thailand entfloh, setzten sich die PersonalvertreterInnen an ihre Schreibtische und studierten über die Festtage die Dokumente. Diese waren ihnen zur Einsicht gegeben worden, um im gesetzlich vorgeschriebenen Konsultationsverfahren Vorschläge auszuarbeiten, wie die geplante Massenentlassung in Schlieren verhindert werden könnte.

Zentrale Rolle von Print

Und sie wurden fündig. Zum Ende des Konsultationsverfahrens legten sie der Geschäftsleitung am 9. Januar ein umfangreiches Dokument vor, das belegt, dass eine Schliessung der NZZ-Druckerei in Schlieren auch wirtschaftlich betrachtet nicht nur unnötig, sondern falsch ist:

Die NZZ-Mediengruppe verdient heute 6 von 7 Franken mit Print-Produkten. Digitale Produkte sind derzeit noch weit davon entfernt, auch nur einen Bruchteil des Print-Ertrages zu generieren. Es ist ausserdem strategisch entscheidend, Druckqualität und Druckflexibilität selbst kontrollieren zu können.

Kommerzieller Erfolg

Das Druckzentrum Schlieren ist sehr gut ausgelastet; seit 2011 sind die Zahlen stetig gestiegen. Dass die Druckerei nicht zu 100% ausgelastet ist, liegt auch in der Verantwortung des NZZ-Managements, das seit Jahren nur noch digitale Kanäle bewirbt. Dass jetzt 125 loyale und teils langjährige MitarbeiterInnen in die Arbeitslosigkeit entlassen werden sollen, stellt für ein 235 Jahre altes liberales Wirtschaftsunternehmen, das als vorbildlicher Arbeitgeber galt, eine unternehmerische Bankrotterklärung dar. Der Imageschaden, der dadurch verursacht würde, ist enorm.

NZZ Print in Schlieren ist ein Druckstandort im Grossraum Zürich mit bester Anbindung an den Schienen- und Strassenverkehr. Das Grundstück gehört der NZZ-Gruppe. Es stellt sich die Frage, ob die NZZ lieber als Immobilienhändlerin denn als Druckerin und Verlegerin Geld machen will ...

Konsultation unterlaufen

Sinn und Zweck eines Konsultationsverfahrens ist es, dass die Arbeitnehmervertreter Alternativen zur beabsichtigten Massen­entlassung darlegen. Ein Konsultationsverfahren entspricht allerdings nur dann den Vorgaben des Gesetzes, wenn das Ergebnis offen ist, wenn also keine Sachzwänge geschaffen werden, die einen anderen Entscheid gar nicht mehr ermöglichen. Doch genau solche Sachzwänge sind wiederholt geschaffen worden: durch ­Vorab-Informationen an die bestehende Kundschaft und Terminfestlegungen, die den Entscheid des Verwaltungsrats vorwegnehmen. Schon mit der Mitteilung des Schliessungsentscheids am 25. November wurden alle bisherigen Kunden darauf hingewiesen, dass ihre Produkte ab Juni 2015 nicht mehr in Schlieren gedruckt werden könnten. Kein Wunder, meldete sich schon anderntags die Konkurrenz, um diese Zeitungen für sich abzuwerben – mit einigem Erfolg.

Investitionen nur Vorwand

Auch die immer wieder ins Feld geführten «Investitionen in zweistelliger ­Millionenhöhe» sind zum grossen Teil nicht stichhaltig begründbar oder basieren auf einer ausschliesslich kurzfristigen Betrachtungsweise. Man braucht das Geld nämlich nicht, um neue Druckmaschinen anzuschaffen, sondern weil das Gebäudedach saniert und das Mobiliar des Personalrestaurants erneuert werden soll.

Bei einem Outsourcing wie der geplanten Verlagerung des Zeitungsdrucks in die Bubenberg-Druckerei von Tamedia sollten geschulte Manager stets alle Vor- und Nachteile auflisten. Im vorliegenden Fall wird aber nur der finanzielle Vorteil angeführt, Nachteile und Risiken dagegen werden weder benannt noch als Kosten ausgewiesen. Dabei gäbe es davon mehr als genug. Angefangen beim totalen Kontrollverlust bezüglich der Abschlusszeiten (Stichwort: aktuelle Sportresulate), Produktionsabläufe und der Kosten, aufgehört beim Verlust jeglicher strategischen Flexibilität in der Zukunft.

Ausgerechnet bei der Konkurrenz?!

Der Auslagerungsentscheid ist auch aus Aktionärssicht ein schlechtes Geschäft. Bei einer Schliessung der Druckerei in Schlieren muss mit einer bedeutenden Abschreibung gerechnet werden. Zudem profitiert Tamedia von neuen NZZ-Maschinen, die zu einem Schleuderpreis die Hand wechseln sollen – darunter Maschinen, die erst im zweiten Halbjahr 2014 angeschafft worden sind.

Neben ihrem Hauptantrag, den Schliessungsentscheid zurückzunehmen, machen die Betriebs- und Personalkommissionen den Eventualantrag, den Beschluss wenigstens aufzuschieben, bis entweder die Aktionäre ihn mittragen oder die vertragliche Situation mit anderen Unternehmen neu beurteilt werden kann.

Jetzt warten sie – und mit ihnen 184 NZZ-Print-MitarbeiterInnen, von denen 125 sonst der Arbeitslosigkeit ins Auge blicken – auf die Antwort der Geschäftsleitung. syndicom wird den Betroffenen in jedem Fall weiterhin zur Seite stehen. Sei es bei den Sozialplanverhandlungen oder auch, wenn die Druckereiangestellten ein Zeichen des Widerstands setzen wollen. Am liebsten aber beim Köpfen der Champagnerflaschen, falls das Management doch noch Einsicht zeigt und die Druckerei in Schlieren gerettet wird.

Mehr zum Protest gegen die Schliessung der NZZ-Druckerei und zur Eingabe des Personals im Konsultationsverfahren

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