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Hat die Gewerkschaft ein Zutrittsrecht in den Betrieb?

Hallo zusammen, ich bin aktives syndicom-Mitglied und schaffe in einer Druckerei. Bei uns wird aus aktuellem Anlass darüber diskutiert, inwiefern die Gewerkschaft während den Arbeitszeiten freien Zutritt hat. Die Betriebsleitung vertritt die Meinung, die Gewerkschaft hätte keinen Zutritt in den Betrieb oder sogar auf das Gelände der Druckerei.

Das ist nicht korrekt. Die Informations- und Zutrittsrechte von Gewerkschaften lassen sich aus mehreren Bestimmungen ableiten. Art. 28 der Bundesverfassung sieht die Koalitionsfreiheit vor. Die Verträge der Inter nationalen Arbeitsorganisation mit der Schweiz, die ILO-Konventionen 87, 98 und 135 und auch die Menschenrechtskonvention (EMRK) ermöglichen im Rahmen von Art. 11 (Recht auf Vereinigungsfreiheit) den Arbeitnehmenden die Gewerkschaftsaktivitäten. An erster Stelle steht hier das Recht auf Information und Organisation in den Betrieben.

Ein Gewerkschaftskollege wies mich darauf hin, dass es sogar einen Bundesgerichtsentscheid gibt, der sagt, dass die in der Verfassung verankerte Koalitionsfreiheit den Gewerkschaften das Zutritts- und Informationsrecht gibt. Kann ich das gegenüber der Betriebsleitung vorbringen, um bei uns das Zutrittsrecht der Gewerkschaft durchzusetzen?

Der Kollege bezieht sich auf den Leitentscheid vom 6. 9. 2017 (2C499/ 2015). Das Bundesgericht hob eine Verfügung des Tessiner Staatsrats auf, die den Gewerkschaften den Zutritt zu kantonalen Verwaltungsgebäuden verbot. Streng genommen gilt das Urteil nur für den öffentlichen Bereich. Der SGB und auch syndicom fordern aber, dass das Urteil per Analogie auch im privaten Bereich angewendet wird. Das heisst, es ist nicht direkt auf deinen Betrieb anwendbar, ist aber richtungsweisend und kann für die Argumentation herangezogen werden.

Was heisst das denn nun für meine gewerkschaftlichen Aktivitäten im Betrieb und für meine Gewerkschaft?

Es ist klar, dass sich die Rechtsprechung betreffend gewerkschaftliche Zutritts- und Informationsrechte noch entwickeln muss. Die bestehenden Regelungen sind aber weit auszulegen. Es kann hier um das Anbringen von Infos an der Pinnwand oder das persönliche Gespräch auf dem Betriebsareal gehen, aber auch um das Verteilen von Flyern auf dem Firmenparkplatz oder Auflegen von Broschüren im Pausenraum. Wichtig ist bezüglich dieser Aktivitäten, dass eine vorgängige Absprache mit der Betriebsleitung erfolgt.

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