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Plattform-Arbeitende: Der Bundesrat verkennt die Situation

Die EU-Kommission will den Plattform-Arbeitenden zu mehr Rechten verhelfen und deren Arbeitsverhältnisse regulieren. Im Gegensatz zum Schweizer Bundesrat, der gerade letzten Monat wieder seine Unkenntnis zu den Herausforderungen der Digitalisierung unter Beweis stellte. syndicom erwartet von den kantonalen und den nationalen Behörden, mit den Veränderungen Schritt zu halten und die Sozialpartner in diesen Prozess einzubinden. Es braucht einerseits eine klarere Auslegung und eine konsequentere Anwendung der Gesetze. Andererseits ist eine Aktualisierung der Arbeitsgesetze nötig, um die Auswüchse der Arbeit auf Abruf zu stoppen.

Die von der EU-Kommission vorgelegte Richtlinie soll den Angestellten-Status der Plattform-Arbeitenden feststellen. Es werden fünf Kriterien definiert, welche ein Angestelltenverhältnis charakterisieren. Sofern jeweils zwei erfüllt sind, sind die Bedingungen für ein Arbeitsverhältnis erfüllt. Das ist ein wichtiger Schritt zur Regulierung der betroffenen Branchen und wird vielen prekarisierten Arbeitenden auf diesem Kontinent zu mehr Rechten verhelfen und ihnen Sozialabgaben zusichern. Doch in der Schweiz lässt der Bundesrat die Ausgebeuteten der Digitalisierung im Regen stehen. In den diversen Herausforderungen der Plattform-Ökonomie droht die Schweiz deshalb abgehängt zu werden. Dazu gehört beispielsweise auch ein Recht auf die eigenen Daten oder das Sicherstellen von Mitwirkungsrechten, die im Kontext der Digitalisierung zunehmend geschleift werden. Der Digitalisierungsbericht des Bundesrats verkennt den Handlungsbedarf aber komplett.

Logistikmarkt zeigt Handlungsbedarf

Die Logistik-Branche auf der letzten Meile, die beispielsweise Essen nach Hause liefert, ist ein exemplarisches Beispiel für den Wandel. Scheinselbständige, genauso wie regulär Angestellte, liefern oft in Kurzeinsätzen Pakete aus. Meist sind sie nur für die Minuten der Lieferzeit angestellt. Hier zeigt die Regulierung der sogenannten unechten Arbeit auf Abruf (die Angestellten können einen Auftrag ablehnen) grosse Lücken. In der Zeit von Crowdwork (ein Auftrag wird an eine Gruppe vergeben, in der Einzelpersonen den Auftrag übernehmen) ist die unechte Arbeit auf Abruf eine Giftmischung. Diese Form der Arbeit wird in allen Bereichen zur Anwendung kommen, die sich seriell erledigen lässt, und dies trifft natürlich auf die Logistik in besonderem Masse zu. Doch es ist längst klar, dass Crowdwork und die Gig-Economy sich auf weitere Bereiche der Dienstleistung ausbreiten wird.  

Gerichte und Behörden halten nicht Schritt

Bei der Frage der Scheinselbständigkeit besteht Hoffnung, dass eines Tages Klarheit geschaffen wird. Es wäre aber besser, wenn der Bundesrat von sich aus die Grenzen absteckt statt jahrelang Interpretationsspielraum zuzulassen, der von den Tech-Firmen gnadenlos ausgenutzt wird und korrekt handelnde Unternehmen gefährdet. Eindeutiger Handlungsbedarf besteht allerdings bei der Arbeit auf Abruf.

Reformbedarf bei Arbeit auf Abruf

Im Bericht des Bundesrats zur Arbeit auf Abruf zeichnet der Absender ein Bild von Arbeit aus dem letzten Jahrhundert. Er kommt zum Schluss, dass derzeit kein zwingender Handlungsbedarf besteht, das Obligationenrecht oder das Arbeitslosenversicherungsgesetz allein im Hinblick auf die Arbeit auf Abruf anzupassen. Und hier verkennt der Bundesrat den Ernst der Lage komplett. syndicom erwartet, dass die Schweizer Behörden endlich erwachen. Es braucht ein entschiedenes Eingreifen und eine konsequente Anwendung der Gesetze, um die prekären Arbeitsbedingungen der Plattform-Arbeitenden zu beenden.

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