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Recht auf Information als Service public

Das Medienförderpaket ist nötig, um auf die Medienkrise zu antworten – aber damit hört es nicht auf, erklärt Camille Roseau von «Medien mit Zukunft» im Gespräch mit Robin Moret.

Camille Roseau ist Journalistin, Co-Präsidentin des Verbandes «Medien mit Zukunft» und Präsidentin des Vereins für Demokratie und Medienvielfalt. © Florian Bachmann

Am 13. Februar 2022 stimmt das Volk über das Medienförderpaket ab. Warum schützt dieses Paket die Arbeitsplätze von Journalist*innen und die Medienvielfalt?

Camille Roseau: Das Paket zur Medienförderung trägt ein gutes Stück dazu bei, Medienbetriebe in der Schweiz finanziell besser abzustützen. Der Ausbau der Posttaxenverbilligung, die Unterstützung der Frühzustellung und umsatzabhängige Zuschüsse für die Onlinemedien verbessern bei vielen Medien die Erlös- und Kostenstruktur. Finanziell sieht es auch für die Verbandsmedien besser aus, sie erhalten mehr öffentliche Mittel für den Vertrieb. Stabile Finanzen machen langfristige Arbeits- oder Auftragsverhältnisse für Journalist*innen überhaupt möglich. Die Stärkung der Branche durch die Förderung des MAZ, des Presserates und der Nachrichtenagentur Keystone-SDA ist zentral für ein funktionierendes Ökosystem Medien.


Was sagen Sie zum Referendum, das behauptet, staatlich finanzierte Medien wären staatlich kontrolliert und könnten ihre Funktion als vierte Gewalt nicht erfüllen?

Der Vorwurf, mit der neuen Förderung würden «Staats medien» entstehen – gelenkte oder beeinflusste Medien, die ihrer Watchdog-Funktion nicht gerecht werden können – ist nicht haltbar, wenn man sich die Sache näher anschaut. Die Medienförderung wird demokratisch legitimiert und nach einem genau festgelegten Reglement verteilt, das für alle gleich gilt, unabhängig von der politischen Couleur. Es ist schlicht unmöglich, dass einem Medium die Gelder gestrichen würden, weil es z. B. den Bundesrat kritisiert. Es gibt keine Einflussnahme auf die redaktionellen Inhalte.
Eher könnte man die Finanzierung von Journalismus durch Inserate oder Gross-Mäzen*innen in Zweifel ziehen, die direkter Einfluss nehmen könnten auf das redaktionelle Geschehen. Ist die Trennung von Redaktion und Verlag aber vollständig, ist auch das in der Regel kein Problem.


Das Beihilfepaket hat eine begrenzte Laufzeit. Wäre dieses Modell auch langfristig eine nachhaltige Lösung?

Wir begrüssen die Befristung des Pakets. Die Unterscheidung der verschiedenen Mediengattungen, etwa Print und Online, ist überholt. Auf längere Sicht wünschen wir uns ein Modell, dass nicht nur Strukturerhalt betreibt, sondern den Journalismus als Grundlage für eine stabile und ausgewogene politische Meinungsbildung fördert und finanziert. Wir sind gerne bereit, da mitzuarbeiten. Für den Moment aber ist das Medienpaket ein guter Kompromiss, der weitere Kahlschläge in der Medienlandschaft verhindert.


Was sind die Schwachpunkte des Hilfspakets?

Wir bedauern sehr, dass es nur sehr wenige Vorgaben zur Verhandlungspflicht im Rahmen einer Sozialpartnerschaft zwischen Verlagen und Gewerkschaften gibt. Allein zur Frühzustellung hat eine Regelung den Weg ins Gesetz finden können. Ausserdem: Die Summen, die Konzernmedien subventionieren, ohne dass ihnen ein Dividendenverbot auferlegt wäre, dünken uns schmerzhaft hoch.


Sie sind Mitglied einer Organisation, die sich für die Verteidigung des Hilfspakets einsetzt. Was werden die wichtigsten Etappen Ihrer Kampagne sein?

Mit dem Verein für Demokratie und Medienvielfalt haben wir ein überparteiliches Komitee gegründet, das sich für das Medienpaket einsetzt. Jetzt im Herbst befinden wir uns in der Planungsphase und sind mit dem Fundraising befasst. Das Zeitfenster ist einfach knapp, wir haben von Ende November bis anfangs Februar Zeit, für das Paket Partei zu ergreifen und zu mobilisieren. Unsere Kampagne wird sich auf die beiden Monate vor der Abstimmung konzentrieren, unser Crowdfunding startet demnächst.


Soll der Verein nach der Abstimmung weiterleben?

Ja. Wir wollen – gemeinsam mit den Unterstützer*innen, die wir hoffentlich noch gewinnen – nach der Abstimmung in die nächste Projektphase gehen. Ziel könnte sein, eine grundsätzliche Neuaufstellung der Medienförderung vorzubereiten. Zum Beispiel über ein Grundrecht auf In formiertheit als Service public. Oder einen neuen Ver fassungsartikel 93, der schlicht und ergreifend lautet: «Der Bund fördert die journalistische Arbeit für die demokratische Meinungsbildung.» Zudem könnte gesetzlich festgelegt werden, dass nur die Betriebe Unterstützung erhalten, die ihren Gewinn in den Journalismus stecken. Aber erst müssen wir das Referendum bodigen.
 

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Das Interview ist erschienen im syndicom magazin Nr. 26

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