Service public digital

Leitantrag am SGB-Kongress

Die Digitalisierung macht uns imService public kaputt. Die Gewerkschaftmüsste das viel härterbekämpfen. Bevor es zu spät ist.

Wenn die Gewerkschaften Ende November zum SGB-Kongress zusammentreten, will syndicom sie für die Forderung gewinnen, einen digitalen Service public zu schaffen. Warum?

syndicom-Präsident Daniel Münger fasst es so: «Seit vielen Jahren attackieren Privatisierer und Deregulierer den Service public. Wir Gewerkschaften verteidigen ihn. Oft erfolgreich. Heute genügt die defensive Haltung nicht mehr.» Der digitale Umbau verlange die Stärkungund eine «umfassende Neubegründung» der öffentlichen Dienste, sagt Münger.

Eine «erste strategische Priorität» sieht darin auch GL-Mitglied Giorgio Pardini: «Denn es geht um Dinge wie Datenschutz, das Recht auf diskriminierungsfreien Zugang zu den Diensten und die Nutzung von Chancen. Dabei stehen nicht nur Jobs auf dem Spiel. Wir reden über die Zukunft der ganzen Gesellschaft.»

Ein starker Service public garantiert soziale Sicherheit, Schule und Ausbildung, Gesundheitsversorgung, physische Sicherheit, Kommunikationsmittel, Altersversorgung, öffentlichen Verkehr, Wasser- und Stromversorgung, ein niederschwelliges Rechtssystem und eine bürgernahe Verwaltung. Und einiges mehr.

Er ist ein Grundrecht und eineVoraussetzung für die demokratische Ordnung, weil er diese Dienste auch für jene Mehrheit öffnet, die nicht über hohe Einkommen und Vermögen verfügt. Als Korrektiv zur Macht des Kapitals sorgt er für sozialen Zusammenhalt. Der Service public ist Allmende, Gemeinbesitz. Und ein Mass für Zivilisation.

Heute stellt die Digitalisierung die Gesellschaft und ihren Service public vor scharfe Herausforderungen.Sie verändert nicht nur die Arbeit, sondern stellt die ganzen Lebensformen auf den Kopf. Bund und Kantone haben bisher nichts unternommen, um die Chancen der Digitalisierung für alle nutzbar zu machen (etwa die Reduktionder Arbeitszeit) und ihre explosiven Gefahren wie die völlige Deregulierung der Arbeit einzudämmen. Die öffentliche Hand überlässt die Gestaltung allein den Banken und Konzernen. Daniel Münger: «Das müssen wir brechen, wenn wir eine soziale Digitalisierung wollen. Die öffentliche Hand muss in die digitale Revolution durch Gesetze und die Schaffung eines digitalen Service public gestaltend eingreifen.»

Für eine digitale Allmend, für kostenfreie Dienste

Wie das geht, formuliert ein Leitantrag von syndicom für den SGB-Kongress. In seinem Entwurf steht unter anderem der Stopp (und die eventuelle Rücknahme) aller Privatisierungen und Deregulierungen (etwa des Arbeitsrechts) und das Prinzip, dass der Service public gratis respektive billig sein muss. Dann: «Es wird ein digitalerService public geschaffen. Der garantiert nicht nur die technische Grundversorgung (Netze etc.), sondern stellt der Allgemeinheit auch Applikationen und Datenzugänge zur Verfügung. Er sorgt für Datensicherheit und Datenhoheit der Einzelnen. Im Sinne einer digitalen Allmende fördert und garantiert er Dienste digitalen Allgemeinbesitzes (öffentliche Archive, Gemeinschaftsdienste wie Wikipedia etc.), vermittelt Open-Source-Daten und Open Software, Commons-Lizenzen etc. Er bindet die Nutzenden in eine echte Mitgestaltung des digitalen Service public ein und gibt lizenzfrei Einblick in Daten und Datenlösungen. Schliesslich bekämpft er Missbräuche und sorgt für die medienökologische Sensibilisierung.»


Oliver Fahrni

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