Tessiner Initiativen

Die Gewerkschaft wieder in die Mitte der Debatte bringen

Nur in der Welt der Datennetze zu leben, bedeutet, soziale Kontakte und Möglichkeiten der Öffnung für andere zu  verlieren. Was unternimmt syndicom, um diesem Trend entgegenzuwirken?
syndicom Tessin probiert derzeit spannende neue Formen  der Begegnung, der Diskussion für Mitglieder und die interessierte Öffentlichkeit aus. Wie die Teilnahme am Festival Internazionale a Ferrara in Italien.

«Das Festival der Wochenzeitung Internazionale ist eine Form des Widerstands: Widerstand gegen das heutige Informations-Chaos. Ein Ort, wo der Wissensdurst in einer Welt der Fake News und Schlag - zeilen über lebt.» So die Definition des RSI-Journalisten Mattia Pacella.

«Die Themen dort betreffen wichtige gesellschaftliche Fragen wie die Rolle der Frau, die fortschrei tende Erosion der Arbeit nehmerrechte durch eine vom technischen Fortschritt verstärkte neoliberale Logik oder auch den Dialog zwischen Journalismus und Politik», sagt die Freelance-Journalistin Laura Di Corcia und fügt an: «Ist das für syndicom von Nutzen? Klar, denn eine Gewerkschaft wurzelt nicht nur im Tagesgeschehen, sondern auch in einer gesellschaftlichen Idee, einem Modell, das immer wieder zu überdenken ist.»

So weit die Beobachtungen zweier syndicom-Mitglieder, die am Internazionale-Festival teilgenommen haben. Seit 2007 organisiert die Wochenzeitung Internazionale (die nach dem Vorbild des französischen Courrierinternational «das Beste aus den Zeitungen der Welt» übernimmt) ein Festival, das in Italien auf grosses Echo stösst und in drei Tagen über 80 000 Besucherinnen und Besucher zählt.

An den letzten drei Ausgaben hat syndicom Tessin mit einer Delegation aus Kommunika tionsfach leuten teilgenommen. Ein Dutzend Journalistinnen und Journalisten aus TV, Radio, Web und Print, dazu weitere Berufsleute des Sektors – Fotogra fin nen, Grafiker, Zeichnerinnen, Übersetzer, KorrektorInnen – konn ten so die Veran stal tung verfolgen. Zum Anlass wurde auch ein Dossier mit Interviews, Rezensionen und Reportagen erstellt und auf unserer Webseite publiziert (erstmals mit Beiträgen auf Deutsch und Französisch).

Neue Formen der Begegnung in Zeiten von Dauerstress

«Das Festival ist eine wertvolle Gelegenheit zur Vertiefung. Ich war bei anregenden Meetings dabei, die sogar zu Schreibaufträgen geführt haben », erzählt Laura Di Corcia. «Der Festivalbesuch», er klärt Federico Franchini, Redaktor bei der Unia- Zeitung Area, «stärkt die Bindung zwischen Gewerk schafts mit gliedern und KollegInnen (die nicht zwingend denselben Be ruf ausüben) und ermög licht, Probleme in einem informellen und anregenden Um feld zu besprechen.» Stella N’Djoku, Radio- Redaktorin bei RSI, ergänzt: «So bleibt die Gewerk schaft lebendig.»

Die Beteiligung von syndicom am Festival geht auf ein Anliegen zurück, das die Vertrauensleute, die Vertreterinnen und Vertreter der Gewerkschaftsmitglieder, 2016 vorgebracht haben. «Im Lauf dieser Treffen», erklärt Nicola Morellato, Regional sekretär Tessin, «zeigte sich, dass die Arbeitenden beim heutigen Arbeitstempo kaum noch Zeit haben, sich zu engagieren, mitzuwirken und gewerkschaftlich aktiv zu sein. Deshalb muss man nach neuen Formen der Begeg nung, der Konfrontation suchen, die über die üblichen Gremiumssitzungen hinaus gehen. Wir dachten an informelle, kulturelle und auch spielerische Anlässe, die wichtig sind, um sich kennenzulernen, sich miteinander auseinanderzusetzen, Ideen auszutauschen und neue Mitglieder einzubeziehen. Es werden auch Gewerkschafts themen behandelt, denn auf die Inhalte kann man nicht verzichten.»

Nachrücken in die von der Politik aufgegebenen Räume

Das Festival von Internazionale ist nur eine von vielen Aktivitäten in diesem Sinne, die das Tessiner Sekre tariat auf die Beine gestellt hat. Weitere sind die Teilnah me am Human Rights Film Festival Lugano oder die von Presse und Visuelle Kommunikation organisierten, öffentlichen Konferenzen mit Kulturapéro über die Grenzen der Satire, das «Native Advertising» und den unlauteren Wettbewerb im Journalismus. So rücken gewerk schaftliche Fragen wieder in den Mittel punkt der Debatte, es entsteht eine Zusammenarbeit mit akademischen und solidarischen Kreisen, NGOs und einem neuen Publikum, das unseren Themen Beachtung schenkt. Wie der Philosoph Oskar Negt festhielt, ist es Zeit, dass die Gewerkschaften in die von den grossen Volksparteien aufgegebenen Räume (Kultur, Sport, Begegnung) nachrücken, um dort auf die Anliegen der Arbeitenden in ihrem Alltag einzugehen.


Giovanni Valerio, Redaktor syndicom rivista

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