FAQ an Michael Moser

Warum braucht es überhaupt eine Auftragslosenversicherung für Selbständige? Selbständige können ja selber Reserven anlegen. 

Es stimmt, Selbständige könnten auch ohne obligatorische Auftragslosenversicherung Reserven aufbauen und einige tun das auch. Diese Reserven werden als zusätzliche Kosten in ihren Honoraren an die Kund:innen weiterverrechnet. Da diese Kosten heute nicht obligatorisch sind, und leider bei einigen Selbständigen auch das Bewusstsein fehlt, wie wichtig diese Reserven sind, werden Reserven heute oft nicht in die Markpreise eingerechnet. Solange es Selbständige gibt, die diese Kosten nicht einrechnen (und damit das Risiko auf den Staat überlagern), haben diese einen Marktvorteil gegenüber Selbständigen, die die Reserven anlegen. Wer im freien Markt konkurrenzfähig bleiben will, ist daher oft gezwungen, selber ebenfalls keine Reserven einzukalkulieren, um Aufträge nicht an die Konkurrenz zu verlieren. 

Die Corona-Pandemie hat deutlich aufgezeigt, dass viele Selbständige nicht genügend oder sogar keine Reserven aufgebaut hatten. Die Steuerzahlenden musste mittels Nothilfe und Corona-Erwerbsersatz für Selbständigerwerbende einstehen. Mit einer Auftragslosenversicherung für Selbständigerwerbende werden die Kosten im Falle einer Auftragslosigkeit denen aufgebürdet, die sie produzieren: Den Selbständigerwerbenden und ihren Kund:innen. 

Warum integriert man Selbständigerwerbende nicht einfach in die bestehende Arbeitslosenversicherung? 

Die bestehende Arbeitslosenversicherung ist auf eine fortsetzende gleichbleibende Tätigkeit ausgerichtet. Selbständige haben wechselnde Kund:innen und unterschiedlich grosse Aufträge. Wird eine angestellte Person arbeitslos, verliert diese in der Regel ihr ganzes Arbeitsvolumen. Ist eine neue Anstellung gefunden, ist das Problem gelöst. Bei Selbständigen hingegen ist der Auftragsverlust meistens nicht 100%, aber auch 50%, oder nur schon 25% können Selbständige vor existenzielle Probleme stellen. Selbständige müssen, anders als Angestellte, auch während der Arbeits-/Auftragslosigkeit berufstätig bleiben. Dazu gehört auch, dass sie nicht nur das persönliche Einkommen, sondern auch die anfallenden Berufskosten decken können. Zudem brauchen die Selbständigen eine ganz andere Beratung auf den RAV als die Angestellten. Eine hingegen wichtige Parallele zur Arbeitslosenversicherung ist die paritätische Finanzierung der Versicherung. Auch die Arbeit-/Auftraggeber:innen der Selbständigen müssen die Hälfte der Kosten beisteuern. 

Wie steht es um das Missbrauchsrisiko bei der ALV-S?  

Die Frage nach dem Missbrauch war immer das Hauptargument gegen eine Versicherung für Selbständige, da diese es selber in der Hand hätten, keine Aufträge mehr zu akquirieren und so auftragslos zu werden/bleiben. Dieses Missbrauchsrisiko besteht auch in der Arbeitslosenversicherung für Angestellte, wo es durch eine fachliche Betreuung auf den sogenannten RAV kontrolliert und falls nötig sanktioniert wird. Auch in unserem Modell wird die auftragslose Person, wie in der normalen Arbeitslosenversicherung, von einer solchen Fachperson auf einem RAV begleitet. Diese Person kann, wie bei angestellten Personen, kontrollieren, ob sich jemand tatsächlich bemüht oder nicht. 

Da im Unterschied zur ALV bei Angestellten bei der ALV-S aber keine Beträge bezogen werden können, die nicht von der versicherten Person selber einbezahlt wurden, ist das Missbrauchsrisiko in der Auftragslosenversicherung für Selbständige sogar weniger problematisch als in der Arbeitslosenversicherung für Angestellte. Wer die ALV-S betrügt, betrügt primär sich selber um seine Reserven. Wer seine Reserven beziehen will, kann umgekehrt seine selbständige Tätigkeit einstellen und den ganzen Sparbetrag beziehen, ohne überhaupt einen Betrug begehen zu müssen. 

Warum braucht es ein Obligatorium für eine Auftragslosenversicherung? 

Wenn die Auftragslosenversicherung nicht obligatorisch ist, haben diejenigen Selbständigerwerbenden ohne Auftragslosenversicherung gegenüber denjenigen Selbständigen, die sich gegen Auftragslosigkeit versichern, einen Wettbewerbsvorteil, denn das Modell sieht vor, dass die Kund:innen Beiträge von 4% auf jeden Auftrag zahlen müssen.  

Kann das Obligatorium branchenspezifisch sein?  

Ja, das könnte es. Die Frage ist aber, ob es nicht sowieso Sinn macht, die Anforderungen an den Selbständigerwerbenden Status generell zu verschärfen, um es gar nicht zuzulassen, dass Kosten von den Kund:innen auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. 


Warum werden auch Selbständige in eine obligatorische Auftragslosenversicherung gezwungen, die heute genug Reserven aufbauen? 

Eine obligatorische Auftragslosenversicherung wird vor allem in Branchen gebraucht, wo die Marktpreise es heute nicht zulassen, Reserven aufzubauen. Baut heute jemand selber bereits genug Reserven auf, kann er die Kosten der ALV-S in seinen heutigen Kosten integrieren, muss seine Preise also nicht zwingend erhöhen. 

Generell stehen wir vor dem Problem, dass die Selbständigkeit wenig reglementiert ist. Dadurch, dass elementare Posten wie die 2. Säule oder das Bilden von Reserven nicht obligatorisch sind, arbeiten leider viele Selbständige unter ihren effektiven Kosten. Selbständige die alle Kosten einrechnen, sollten ihre Preise durch eine ALV-S nicht erhöhen müssen. 

Fliessen mit einer Verteuerung der Arbeit von Selbständigen nicht Aufträge ins Ausland ab? 

Mit einer Verteuerung der Arbeit für die Kunden von 4% wird ein Auftrag, der vorher 1000.- Franken gekostet hat, neu 1040.- Franken kosten. Wir gehen davon aus, dass zumindest in den von uns beobachteten Branchen die Kunden bereit sind, diese zusätzlichen Kosten zu tragen. Wer bereits heute Aufträge an ausländische Anbieter:innen vergibt, wird es auch weiterhin tun und kann und soll mit einer Auftragslosenversicherung auch nicht bekämpft werden. Wichtig ist für uns, dass Arbeit, die in der Schweiz erbracht wird, auch zum Leben in der Schweiz reicht. Dazu gehört auch, dass die Person genügend abgesichert ist. 




Michael Moser ist Zentralsekretär Medien / Visuelle Kommunikation

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